Hammelrede 2016

65 Jahre Kirmes in Hausen,

65 Jahre Hammelausreiten,

65 Jahre Geselligkeit der besonderen Art!

 

Verehrte Kleinjubiläumsgemeinde,

liebe Gäste aus nah und fern,

treue Hammelbrüder,

 

als Vertreter der Hausener Kirmesburschen, heiße ich euch zu unserem heutigen Halbjubiläumsumzug auf das Herzlichste willkommen.

Gemäß der nun 65 Jahre alten Tradition, haben wir uns auch heute fast pünktlich – um 13.00 Uhr – zum Hammelausreiten, hier vor unserem schönen Gemeindezentrum, versammelt.

Auch im diesen Jahr haben wir wieder über Begebenheiten und Vorkommnisse in unserer schönen, aufstrebenden Gemeinde nach „Hammelbruderart“ zu berichten. Unser diesjähriger Hammel mit dem Namen „Benno Benedictus“ hat wieder einmal ungeheure Schandtaten verübt, die hier bekannt gemacht werden müssen.

 

Reiter und Wagen schwärmt aus!

 

Nachdem die Reiter ausgeschwärmt sind, um den Hammel vor dieses außerordentliche Gericht zu stellen, beginnen wir mit der Verlesung der Anklagepunkte.

 

Blicken wir traditionell auf die Ereignisse des vergangenen Jahres zurück und beurteilen wie gewohnt die Schuldigkeit des diesjährigen Angeklagten.

Dass Motto-Musik zu einer Motto-Party gehört und nicht jeden Geschmack treffen kann, mussten einige Gäste zum Kirmesfreitag, mehr oder weniger einsichtig, lernen. Ein wie gewohnt lauter, feuchtfröhlicher und geselliger Abend folgte dann aber im Handumdrehen. Besonders die Gäste die dem Aufruf gefolgt sind, in Trachten zu kommen, verliehen dem ersten Festtag eine ganz besondere Note.

Während des Kirmesausrufens am Samstagabend durch den Burschenvorstand witterte der Hammel schon seine erste Gelegenheit, die neue Saison mit seinen Gemeinheiten und fiesen Spielchen zu beginnen.

Die stimmungsgewaltige Band auf unserer Bühne musste gleich mehrfach das musikalische Programm unterbrechen weil sich Benno wieder einmal unbefugt an der Sicherung der Saal-Elektrik zu schaffen machte.

Zum gewohnt sonnigen Kirmesumzug begann eine Gruppe der Burschen humorvoll das Hausener Völkchen auf die bevorstehenden Kanalbauarbeiten hier im Ort einzustimmen und verkaufte die ersten neuen Hausanschlüsse zu Schnäppchenpreisen. Auch Aladdin in seiner Wunderlampe, ein gruseliges Geisterhaus und eine überdimensionale Bierkiste mit lebendigem Hausener Sellreinbräu lockten so manchem Festbesucher wieder ein Lächeln auf die Lippen.

Nur einen Augenblick der Unachtsamkeit nutzte der Hammel eiskalt aus und stellte einer Bierflasche in der großen Kiste so niederträchtig ein Bein, das ihr Kirmesfest im Krankenhaus endete. Auch der schönste Hammelwagen in der Hausener Kirmesgeschichte muss hier unbedingt erwähnt werden.

 

Schade ist nur, dass einige Hausener Kirmesurgesteine diesen Anblick nur von Fotos kennen, weil sie mehr oder weniger freiwillig Bennos neuem Trend folgten und das große Kirmesfest im Urlaub verbrachten.

Während die Burschen zum Frühschoppen noch geduldig auf mehr Gäste warteten, ging in Niederorschel schon zur Mittagszeit das Gerücht um, in Hausen auf dem Saal würden zwei Verrücktgewordene auf der Bühne umherspringen. Diese neue Art von Frühschoppenunterhaltung kam besonders bei den älteren Gästen gut an. Abgelenkt vom lustigen Programm auf der Bühne, bekam keiner der Gäste mit, wie der Hammel sich an einer der Trennwände auf der Herrentoilette zu schaffen machte. Abgerissen von der Wand ließ er sie liegen und verschwand, bis heute unerkannt.

 

Wegen traditionellem Mangel an Gästen trafen sich die Kirmesburschen am kleinen Kirmesfreitag allein zu einer gemütlichen Runde im Hundesportlerhäuschen, um sich auf das bevorstehende Festwochenende einzustimmen.

Beflügelt und gut vorbereitet konnte dann am Samstag wieder ein turbulenter und feuchtfröhlicher Tanzabend für den Verein und seine begehrten Gäste auf die Beine gestellt werden. Nur der Hammel schien dieses gewohnt friedliche Fest mal wieder nicht verkraftet zu haben.

Als er am Sonntagmorgen nach durchzechter Nacht mit einem Huhn auf dem Arm vor der Kirche auftauchte, war er noch so betrunken, dass er sämtliche Aufforderungen des Burschenvorstandes nicht registrierte, bitte sofort wieder nach Hause zu gehen.

Stattdessen fing er an in der Kirche seinen Rausch auszuschlafen und blamierte die gesamte Burschenschaft nicht nur vor unserer Kirchenpatronin.

 

Am Tag der Deutschen Einheit hatten die Hausener gleich 2 Anlässe zum Feiern:

20 Jahre Bildstock wurde mit einer heiligen Messe am Harderholz gebührend gefeiert.

Bei schönem Wetter und heimatlicher Atmosphäre war das vor allem für die Kinder ein tolles Erlebnis.

Dass es dabei nicht ruhig wie in der Kirche zuging, hatte der Hammel nicht erwartet und störte sich leider sehr an der Fröhlichkeit der anwesenden Kleinen.

Anlässlich dieses Jubiläums wurde sogar eine neue, diesmal diebstahlsichere Sitzbank aus unserer Nachbargemeinde Niederorschel gesponsert.

Vielen Dank nochmal dafür an dieser Stelle!

Anschließend ging es dann zur groß aufgezogenen Feier des 25. Jahrestages der Deutschen Einheit in die Niederorschler Lindenhalle.

Hier konnte die Gemeinde Hausen von allen geladenen Gemeinden eindeutig die stärkste Fraktion stellen.

 

Eifrig wie eh und je erlebte unser Ort wieder einen wahren Bauboom.

Eine treue und altbewährte Rentnerbrigade, inklusive dem Bürgermeister, schaffte es, nach alter Hausener Art das neue Wohngebiet am Kleinfeldplatz fast allein zu erschließen.

Bei Baggerarbeiten für die Erschließung stieß man zufällig auf einen über 6m langen alten Betonpfeiler der noch an die Zeiten erinnerte, als Hausen mit Strom aus

Oberleitungen versorgt wurde.

Besonders tragisch ist, dass der Hammel während der Arbeiten zur Erstvermessung heimtückisch die gemessenen Zahlen aller Grundstücksgrenzen manipulierte, wodurch kurz vor Baubeginn des ersten Wohnhauses alle Grundstücke noch einmal überprüft und in Eigenleistung der Gemeinde verändert werden mussten.

Stolz macht uns Hausener aber, dass der im Fachgremium beschlossene Straßenname erwiesenermaßen als erste bewohnte Straße im Eichsfeld für immer an den wohl einmaligen Papstbesuch erinnert.

 

Ganz im Zeichen von Kanalgräben und Wasserrohren stand für uns alle das Jahr 2016.

Auf einer sehr gut besuchten Einwohnerversammlung konnte sachlich erklärt den meisten Anwesenden die große Angst vor zu hohen Anschlussgebühren genommen werden.

Während die Bauarbeiter so planmäßig wie nur möglich den ersten Bauabschnitt voranbrachten, wurden sie im Winkel tatkräftig von gleich zwei Freizeit-Bauleitern unterstützt.

Pünktlich wie ein Maurer war Bauleiter 1 jeden Morgen in der oberen Winkelstraße zur Stelle und hielt jeden Arbeitsschritt für die Hausener Nachwelt mit der Kamera fest.

In der unteren Winkelstraße führte Bauleiter 2, der eigentlich nur ein halber Bauleiter ist, Regie.

Getreu dem Motto: Niemand ist perfekt aber als Winkelaner ist man verdammt nah dran, hatte er jederzeit für die Bauarbeiter sachliche Ratschläge parat.

 

Eine erneute Einbruchserie in unserem friedvollen Ort machte auch vor einer abgelegenen Gartenlaube nicht halt. Die friedlichen Besitzer rätseln heute noch, ob der Hammel oder einer seiner Komplizen dafür verantwortlich sind, und wonach sie genau suchten.

Erschrocken fanden auch einige unserer Einwohner sogenannte Gaunerzinken an ihren Häusern und ertappten den Hammel dabei, wie er heimlich einzelne Wohnhäuser beobachtete und fotografierte.

Während Benno seine Einbruchserie erfolglos am Hundesporthaus fortsetzte, war er am alten Jugendclub wesentlich effektiver.

Im Abstand von mehreren Monaten gelang dem Hammel gleich zwei Mal der Versuch. Er erbeutete Bargeld, jede Menge teure Musikinstrumente und technisches Equipment.

Obwohl das Hammelgericht immer noch mit hartnäckigen Verhören beschäftigt ist, um den Verbleib der wertvollen Beute zu ermitteln, geht der Clubbetrieb, der schon viele Einbruchsinsolvenzen in seiner langen Geschichte überlebt hat, munter weiter.

 

Die Jahre vergehen und schon stand diesen Sommer die erste Wiederwahl unseres neuen Dorfschulzen an.

Während seiner anstrengenden ersten Amtsperiode, in der er wie gewohnt volksnah und stets mit einem offenen Ohr, selbst an der heimischen Haustür, für seine Gemeinde da war, bekam er vom Hammel doch das ein oder andere Bein gestellt.

Zuerst schubste ihn der Hammel nach einer Kirmesburschenversammlung den steilen, aufgeweichten Dammweg hinunter und verletzte ihm mehrere Rippen.

Danach fuhr Benno ihm die altbewährte bürgermeisterliche Familienkutsche zu Schrott.

Als Höhepunkt der Übelkeiten jubelte ihm der Angeklagte noch einen nicht funktionierenden Bagger unter.

All diese Versuche den Hausener Regierungschef aus der Bahn zu werfen, gelangen natürlich nicht.

Jede Menge Rückendeckung vor allem aus seinem Gemeinderat und dem neuen Hausener Regierungsviertel im Winkel stärkten ihn fürs Weitermachen.

 

Einige historische Gegebenheiten für die Hausener Geschichtsbücher, die der Hammel am allerliebsten sofort ungeschehen machen möchte, geben wir heute natürlich

unlöschbar zu Protokoll.

So kam es vor, dass sich ein namhafter Hausener Pferdezüchter wegen akuter technischer Probleme zur Fortführung wichtiger landwirtschaftlicher Arbeiten, zähneknirschend einen Traktor vom Schwiegersohn leihen musste.

Schwerer hat es den Hammel dagegen selbst getroffen, als er durch eine verlorene Wette dem Endspiel im DFB Pokalfinale öffentlich im Trikot seiner rivalisierenden Mannschaft beiwohnen musste.

Der wichtigste aber wohl schmerzvollste Eintrag in die Hausener Geschichtsbücher ist jedoch, dass es das erste Mal nichts Erwähnenswertes aus dem Örtchen hinterm Damm zu berichten gibt.

Was man von der Hausener Seite des Dammes nicht behaupten kann!

So soll es sich zugetragen haben, dass ein Verkauf von lebenden Schafen an muslimische Einwanderer für die Tiere in einer entsetzlichen Gräueltat endete.

Kaum war das erste Tier bezahlt wurde es noch an Ort und Stelle nach Osten ausgerichtet und vor den Augen des schockierten Verkäufers geopfert.

 

Auch Zeiten großer Veränderungen und Innovationen machen vor unserem traditionsbewussten Ort nicht halt.

Die großen Gemeindefeste wie z. B. das Waldsportfest, das Kleinfeldturnier oder das Feuerwehr–Familienfest, wurden in diesem Jahr durch ein Gesamt-Gemeindefest ersetzt und von den aktiven Vereinen organisiert. Drei Tage lang konnte man sich an Klassikern, wie dem ewig rivalisierenden Unterdorf gegen Oberdorf oder neuen modernen Wasserspielen, bei denen jeder mitmachen konnte, erfreuen.

 

Im nächsten Punkt der Anklageliste müssen wir den Hammel zum wiederholten Male wegen unkontrolliertem Alkoholmissbrauch anschuldigen. Den Tatbestand der schweren Körperverletzung erfüllt Benno, weil er einen friedlichen Hausener Mitbürger, der froh und angeheitert von einer Rentner-Weihnachtsfeier kam, die heimische Haustreppe hinunter direkt auf sein Auto stieß, und jener sich dabei übel verletzte. Später verirrte er sich auf dem Heimweg nach einem großen Richtfest in der Hauptstraße. Voll wie ein Amtshammel landete er dann in Hausens Nebengassen und übergab sich vor der Haustür des alten Kindergartens. Verwirrt und orientierungslos musste man von zu Hause kommen und ihm den Rückweg nach Hause weisen. Außerdem versuchte er erfolglos, und wiedermal betrunken nach einer Kremserfahrt, Verkehrsschilder aus dem Boden zu reißen. Ob die zerstörte Sitzbank in der Schöllbornstraße auch auf sein Konto geht, wird derzeit noch ermittelt. Zeugen zum Aufklären dieser schändlichen Tat werden gebeten sich umgehend beim Dorfschulzen zu melden.

 

Eine große Reihe von Anzeigen wegen nicht genehmigter Baumaßnahmen leitete der Hammel nach einer Überfliegung der Hausener Flure, mit einem Hubschrauber öffentlicher Behörden, in die Wege. Hier interessierte ihn wenig, ob der ein oder andere kleine Schuppen neu erbaut wurde oder noch aus alter DDR-Zeit stammte. Zufällig beobachtete er auch einen unserer Einheimischen beim ökologischen Verbrennen von Autoreifen und hetzte ihm umgehend die Gesetzeshüter auf den Hals. Auf dem Rückflug seiner sehr erfolgreichen Anzink-Runde fielen ihm gleich mehrere sehr irritiert wirkende Hausener Einwohner auf, die damit beschäftigt waren, die obere Schöllbornstraße hoch und runter zu gehen.

Einige davon wollten sicher unbedingt mal ins Fernsehen, aber die meisten von ihnen testeten nur, ob sie einen Notfalltermin beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt, wegen dringendem Verdacht auf Tinnitus brauchten oder nicht. Zu guter Letzt klärte er noch ein altes rätselhaftes Phänomen auf unserer Kreuzung zur Bushaltestelle auf. Die offenbar doch nicht von Außerirdischen verursachten und immer wiederkehrenden schwarzen Kornkreise auf dem Asphalt wurden nach Augenzeugenberichten von Einheimischen mit ihren PS-starken Autos hinterlassen.

 

Auch konnten sich in diesem Sommer wieder die Fans und Freunde des Heavy Metal so richtig austoben. Der neue Fachbegriff H.O.A., stehend für Hausen Open Air, findet einen ganz besonderen Platz in unseren Geschichtsbüchern. Vor allem die stimmgewaltigen harten Burschen aus den eigenen Reihen überraschten das heimische Publikum. Jedes Jahr professioneller organisiert, gesponsert und durchgeführt, stehen die Veranstalter ihrer Konkurrenz aus dem kleinen Nest in Wacken eigentlich nur noch in der Zahl der Besucher nach.

 

Das laufende Jahr neigt sich bald wieder dem Ende und mit großer Spannung wartet unsere Bevölkerung auf die Erstausgabe des neuen Hausener Bildkalenders.

Offiziell will sich der Hammel dafür einsetzen, dass diesmal nicht nur die Vorderfronten neuer und alter Häuser und unsere Kirche die neuen Monate zieren.

Auch die mit viel Selbstbewusstsein, und riskanten Klettereien des Fotografen auf fremden Grundstücken entstanden Bilder von Hinterhöfen, Hauskellern, Terrassen und Schlafzimmerfenstern.

Um sein diesjähriges Strafmaß zu mildern sollte der Hammel bereit sein, dafür zu sorgen, dass zu intime und private Bilder kostenlos ausgehändigt werden und anschließend von den unzähligen Festplatten des Fotografen für immer verschwinden.

 

So möchten wir uns bei allen, die wieder zum Gelingen unseres Kirmesfestes und stets zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens im Ort beitragen, recht herzlich bedanken.

 

Im Namen aller Hammelbrüder und im letzten Auftrag von Benno Benedictus wünschen wir frohe und nette Stunden hier beim Umzug.

 

Bleibt gesund und munter!

 

 

Die Kirmesburschen

 

© 2016, Autor: David Schäfer