Hammelrede 2010

Verehrte Festgemeinde,

liebe Gäste aus nah und fern,

treue Hammelbrüder,

 

als Vertreter der Hausener Kirmesburschen heiße ich euch zu unserem heutigen Festumzug auf das herzlichste willkommen.

Wieder haben wir uns hier versammelt, um unser 59. Hammelausreiten in würdiger Form zu begehen.

Auch in diesem Jahr haben wir über Begebenheiten und außergewöhnliche Vorkommnisse in unserem kleinen Dörfchen nach Hammelbruderart zu berichten.

Unser diesjähriger Hammel mit dem Namen „Horst der Amtsmüde“ hat zahlreiche Untaten verübt, die hier bekannt werden müssen.

Wir schicken jetzt Reiter und Wagen aus, um diesen Übeltäter zu ergreifen.

Reiter und Wagen schwärmt aus!

 

Nachdem die Reiter ausgeschwärmt sind, um den Hammel vor dieses außergewöhnliche Gericht zu stellen, beginnen wir mit der Verlesung der Anklagepunkte:

 

Im letzten Jahr starteten wir recht stürmisch in die Feierlichkeiten. Erstmals konnte beim Ausrufen der Kirmes durch den Vorstand unsere Fahne wegen sehr starker Windböen nicht durch den Ort getragen werden. Am Sonntag, pünktlich um 13:00 Uhr, hatten wir nicht nur bestes Umzugswetter, sondern auch internationalen Besuch.

Wicky und die starken Männer, Braveheart im Schottenrock, die Simpsons und das Siegerboot vom Stauseerennen 2009 waren da.

Nach einer jahrelangen Abstinenz gab es auch endlich mal wieder Lose zu kaufen.

Begeistert wurde vor allem festgestellt: „In Hausen gibt es keine Nieten!“

Den Hauptgewinn, ein modernes Navigationsgerät, gewann eine junge auswärtige Dame.

Sie wollte das neue Gerät gleich testen und mal kurz den Kirmesumzug auf dem „Breiten-Holz“ besuchen. Sehr erstaunt musste sie feststellen: „Breitenholz gibt es nicht mehr bei der heutigen modernen Technik. Westlich von uns liegt nur noch Leinefelde-Worbis!

Auch wenn einige „ehemalige“ Birkunger über unser nostalgisches Ortseingangsschild in den Medien spotten. Unser Hausen gibt es in jedem noch so modernen Navigationsgerät.

 

Unser diesjähriger Hammel ist hinterhältig, heimtückisch und schlitzohrig, aber er ist immer noch ein echter Hammel, der bis eben in der Herde weilte und jetzt von unseren Burschen überwältig und vor dieses Gericht gebracht wird.

Wir werden ihn nie, wie im Nachbarort geschehen, durch ein Maskottchen, einen überdimensionalen Kunsthammel, ersetzen.

 

Unser Frühschoppen wird immer berühmter im Umfeld. So war schon vor dem offiziellen Beginn, als unsere Burschen noch zur Kranzniederlegung waren, eine Delegation aus Niederorschel im Gemeindezentrum eingetroffen.

Spiel und Spaß für jung und alt; eine Hüpfburg im Saal, ein Zauberer mit Kunststückchen für groß und klein, ein weiblicher DJ und eine riesen Stimmung prägten den ganzen Tag. Bevor die Burschen am späten Abend mit dem Stiefeltrinken zum Finalen Schluck ansetzten, war im Örtchen schon die Polizei im Dorfsaal und hatte die dortigen Burschen von ihrem Frühschoppen vertrieben.

So schlecht ist nicht mal unser Hammel.

 

Der 2. Hausener Weihnachtsmarkt fand, als einziger in der Verwaltung, mit einer geschlossenen Schneedecke, jedoch auch bei arktischen -20°C rund um unsere Preisgekrönte Bushaltestelle statt.

Unsere Kirmesmusikanten spielten herzerwärmende Weihnachtslieder, der Chor sang etwas schneller als sonst und die angereisten Posaunenbläser konnten wegen des Frosts gar nicht erst blasen. Der Weihnachtsmann ließ sich nur kurz blicken und lud die Kinder zum Basteln und Zeichnen in das warme Josefshaus ein. Eine Kutschfahrt im Pferdeschlitten ging nur durch das halbe Dorf.

Eng zusammengedrängt stand man um die wärmenden Glüh- und Bratwurststände sowie Verkaufsbuden. Als Reinerlös vom 2. Hausener Weihnachtsmarkt konnten durch den selbstlosen Einsatz aller 1.200,00 € für gemeinnützige Zwecke im Dorf ertrunken werden.

 

Der letzte Winter überschüttete uns mit lange nicht mehr gekannten Schneemassen.

Der Winterdienst hatte große Probleme eine Fahrspur im Ort ständig frei zu halten.

Erst nach einer Kollision und der Evakuierung von eingeschneiten Autos auf der Hauptstrasse war eine einigermaßen freie Fahrt möglich.

 

Mit Angst und Schrecken vernahm auch Horst die Nachricht, dass der Sportlerbus die Trainingshalle in Gernrode nicht erreicht hatte und in den Schneemassen verschollen war. Erst der herbeigerufene Rettungstraktor eines Schwiegervaters konnte die leicht bekleideten Fußballer vor dramatischen Folgen bewahren.

 

Danach entwickelte sich für einige Hausener eine neue Risk & Fun-Sportart:

Wer schafft es über den zugeschneiten Sommerberg?

Für die meisten endete dieser Adrenalinkick am Haken eines Bergungsfahrzeuges.

 

Auch in Hausen feierten wir wieder Karneval. Der Saal war bis auf den letzten Platz ausverkauft, denn alle wollten nach der überraschenden Amtsmüdigkeit des alten Präsidenten, den neuen sehen. Diesen hatte man wohl nicht so richtig in sein Amt eingeführt, denn er kam im falschen Outfit und fühlte sich auf der falschen Veranstaltung. Nach einer kurzen Klarstellung seiner Aufgaben hatte er sich aber sehr schnell in sein neues Amt eingearbeitet und führte hervorragend durch den Abend.

Geniale Ansätze beim Burschenballett zeigte dann der Kirmesvorstand. Als jedoch das schwergewichtige Männerballett mit leichter Strohbekleidung einzog, war die Stimmung auf dem Höhepunkt. Als sie auch noch ihre leuchtenden Stäbe unter ihrer Strohbekleidung hervorholten, tobte die Halle. Auf dem Heimweg stellte Horst einem der kräftigen Jungs vom Männerballett auf eisglatter Strasse so hinterhältig ein Bein, dass er stürzte und von zufällig vorbeikommenden Passanten geborgen werden musste.

 

Wir haben seit einigen Monaten einen neuen, alten Kneiper. Die offizielle Bierglasübergabe war nicht gut getimt. Das Dorf war leer.

Der kleine HSV war zum Punktspiel beim großen HSV, die Feuerwehr hatte Wandertag und die Hunde wurden bei einer Leistungsschau vorgeführt. Zum Glück hatte der Tanzverein zum Countryabend geladen und so ging zu später Stunde, als alle wieder zu „Hausen“ waren, die Post noch richtig ab.

 

Total überschätzt hatte sich Horst, als er nach einer Zechtour auf dem Damm das Holzlager im Winkel erblickte. Den größten Holzkloben wollte er in den heimischen Stall rollen Mitten auf dem Anger musste er entkräftet aufgeben und den Holzkloben als Verkehrshindernis zurücklassen.

An einem schönen Sonntagnachmittag im August mussten wir uns wohl vom letzten Kaplan in Hausen verabschieden, da die Pflicht und Lehrjahre für Kapläne hier in Hausen leider ausgelaufen sind. So wird es wohl, wie vor über 100 Jahren wieder heißen:

 

„Das mach‘ me salber“

 

Kulturell stehen wir den Metropolen im Umfeld in nichts nach.

Die Adventsmusik mit Meditation, die Jubiläen von Kolping und Kirchenchor mit Nachbarn und Freunden, waren spitze. Wochenlang war der Hausener Hundesportplatz sogar der Nabel der Zirkuswelt. Mit Zelten, bunten Wagen und vielen Artisten trainierte dort der Zirkus Bombastico. Die Abschlussveranstaltung für die Kinder des Ortes war total überfüllt.

 

Eine ganz neue Qualität erreichte im vergangenen Jahr der Dorfschmuck. Bisher war es in Hausen Mode, schon gleich nach dem letzten Prozessionsteilnehmer den Fahnenschmuck im Dorf zu entfernen. Dieses Mal wehte eine Hausenfahne von der ersten bis zur zweiten Kirmes über der Schöllbornstraße.

 

Beim Kleinfeldfußballturnier belegte die Mannschaft der Kirmesburschen als „Mannschaft der Herzen“ mal wieder nur den zweiten Platz. Sie musste sich in einem mitreißenden Endspiel den „alten Herren“ von Hausen geschlagen geben. Diese alten Herren hatten ein Durchschnittsalter von 20 Jahren und waren auf dem Feld fast ausschließlich aus Niederorschel. Als Torwart sicherte ein Oldie des Hausener Fußballs mit weltmeisterlichen Paraden den Sieg gegen die Kirmesburschen.

 

Das Waldsportfest fand in diesem Jahr ohne auswärtigen Profifußball statt. Die Dorfmeisterschaft ging endlich mal wieder an das Oberdorf. Mit einem knallharten Schuss in den Torwinkel gelang einem 10-jährigen Nachwuchstalent vom Oberdorf das Siegtor.

Im neu eingeführten Harderholzpokal konnten wir seit ewigen Zeiten mal wieder eine Fußballmannschaft aus Kleinbartloff in unserem schön hergerichteten Waldstadion begrüßen.

Der Sonntag stand im Zeichen der Familien und Kinder. Leider konnte bei den Wettkämpfen zum Titel des stärksten Hauseners kein Gesamtsieger ermittelt werden.

Mit gelungenen Versprechen und seinem lauten, herzhaften Lachen hatte der neue Stadionsprecher entscheidenden Anteil an der guten Stimmung auf der Heide.

 

Sport hat bei uns im Ort einen sehr großen Stellenwert. Die Zahl der Dauerläufer und Stöckler im Haderholz steigt stetig. Im Tischtennis werden wir demnächst die Kreisligen erstürmen.

Ob die Schießübungen der Doppelköpfler eine neue Sportart werden oder eher zur Selbstverteidigung dienen, wird sich „usggewiese“.

 

Von Großbränden, Überschwemmungen, Schnee- und Sandstürmen sowie Trockenzeiten wurde Hausen zum Glück verschont.

Trotzdem wird die Klimaveränderung auch bei uns spürbar. So kam durch freilaufende Schildkröten der Verkehr im Sommerweg völlig zum Erliegen. Nur durch eine mutige Rettungsaktion konnten diese Exoten wieder eingefangen werden.

 

Im Sommer war der Ort verkehrstechnisch wieder einmal total lahmgelegt. Der Dorfkern bekam einen komplett neuen Straßenbelag. Versorgungs- und Erntefahrten mussten über Um- und Schleichwege erfolgen, und so war es für Horst ein leichtes Spiel, einen riesigen Erntewagen mit frischem heu aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Anschließend wurde auch noch die Fahrbahndecke der Schul- und Winkelstraße saniert. Leider wurde das einzige richtige Schlagloch im Sommerweg von den Straßenbauern total übersehen.

 

Als großes Bauprojekt im Dorf haben die Visionäre, Macher und viele fleißige Helfer die völlige Umgestaltung und Modernisierung der Friedhofshalle in Angriff genommen.

Wieder ist ein außergewöhnlicher Bau entstanden. Hier müssen wir aber kleinlaut anerkennen, ohne die Breitenhölzer hätten wir es diesmal nicht so schnell geschafft.

Im Gemeinderat wird schon über den Titel “Ehrenbreitenhölzer“ diskutiert.

 

Zum zentralen Platz im Dorf entwickelt sich immer mehr der stets ordentlich gepflegte Spielplatz. Fußballer, Volleyballer, Feuerwehrleute, Omas und Opas, Mütter mit großen und kleinen Kindern treffen sich dort. Auch das mediale Zentrum hat sich dort hin verschoben.

Früher gab es den Dorf-Funk – heute gibt es den Kinderspielplatz. Hat ein Bursche mal Gedächtnislücken vom Vorabend oder Angst vor Folgen seines Tuns, hier kann ihm sicher geholfen werden.

 

Seit langem musste in Hausen ein neuer Bürgermeister gewählt werden. Mit einem kompletten Fuder Heu fuhr man am Wahllokal vor, um dieses wichtig Kreuz zu machen.

Dem neuen Bürgermeister, unserem Hammelbruder und langjährigen Vorsitzenden Stefan, wünschen wir viel Erfolg in seinem neuen Amt.

Recht herzlich möchten wir uns an dieser Stelle bei unserem Ehrenbürgermeister, Dorfschulzen und Altkirmesburschen für seine langjährige Hilfe und Unterstützung bedanken.

Die ersten Jahre verfolgte er als Orschler, von seinem Bienenhaus am Dorfrand, das muntere treiben dort unten im Nest. Dann entstand Neugier und spätere Begeisterung. Als Bürgermeister half er uns die Hindernisse und Mangelerscheinungen der Planwirtschaft geschickt und phantasievoll zu meistern sowie die Fettnäpfe und Fußangeln der folgenden Marktwirtschaft zu meiden. Danke Heinrich!

 

Im nächsten Jahr werden wir das 60-jährige Bestehen der Hausener Kirmes feiern.

Wir möchten alle Hausener, alte und junge Hammelbrüder, Freunde und Sponsoren aufrufen, mit uns gemeinsam dieses Jubiläum würdig zu begehen.

 

„Schließt euch uns an!“

 

In diesem Sinne und im Namen aller Hammelbrüder wünschen wir noch frohe und nette Stunden.

 

Bleibt gesund und munter. Bis zur nächsten Kirmes grüßen:

 

Die Kirmesburschen

 

© 2010, Autor: Manfred Barthel