Hammelrede 2011

60 Jahre Kirmes in Hausen,

60 Jahre Hammelausreiten,

60 Jahre Sonnenschein,

60 Jahre Durst!

 

Verehrte Jubiläumsgemeinde,

liebe Gäste aus nah und fern,

treue Hammelbrüder,

 

als Vertreter der Hausener Kirmesburschen, heiße ich euch zu unserem heutigen Jubiläumsumzug auf das herzlichste willkommen.

Wie schon in 59 Jahren guter Tradition zuvor haben wir uns auch heute – um 13.00 Uhr – zum Hammelausreiten, hier vor unserem schönen Gemeindezentrum, versammelt.

Auch im Jubiläumsjahr haben wir wieder über Begebenheiten und Vorkommnisse in unserer schönen, aufstrebenden Gemeinde nach

„Hammelbruderart“ zu berichten.

Unser diesjähriger Hammel „Karl-Theodor der Plagiator“ hat unzählige Schandtaten verübt, die hier bekannt gemacht werden müssen.

Wir schicken jetzt Reiter und Wagen aus, um dieses heimtückische und hinterhältige Untier- getarnt im Schafspelz- zu ergreifen.

Reiter und Wagen schwärmt aus!

 

Bevor wir jedoch zur Verlesung der Anklagepunkte kommen, sei uns aus gegebenem Anlass ein kurzer Streifzug durch die Hausener Kirmesgeschichte erlaubt.

Vor 60 Jahren saßen einige Burschen unter der gestrengen Aufsicht der „Häsin“

in der gemütlichen Dorfschänke am Anger und überlegten, wie man dem Kirchweihfest

einen besonderen Rahmen geben könne.

Wie man die größeren und kleineren Missgeschicke im Ort zur Aufbesserung der örtlichen „Gerechtigkeit und Moral“bekannt machen kann. Als Schuldiger wurde ein Hammel gefunden, dem man einen öffentlichen Prozess machte und dann durchs Dorf führte. Dass sie hiermit eine 60 Jährige Tradition einleiten, konnte sich keiner von ihnen damals vorstellen.

Auch war es wohl die Not, die dazu führte, dass in den Anfangsjahren der Kirmes ein meist gestifteter Hammel nach dem Umzug hingerichtet wurde und am nächsten Tag

als wohlschmeckendes Hammelgulasch das Festmahl zierte.

So war das zweite Oktoberwochenende die Zeit in Hausen, für die nach anstrengender Ernte das Zaumzeug der Pferde noch mal auf Hochglanz poliert wurde. Für volle 3 Tage wollte man die Sorgen vergessen und mal so richtig den Hammel rauslassen.

Die Anzahl der Kirmeswagen stieg stetig an und die gezeigten Attraktionen würden noch heute bei Dieter Bohlens „Supertalente-Show“ Erstaunen und zugleich Entsetzen hervorrufen.

Manches physikalische Gesetz wurde hier in Hausen in seinen Grundfesten erschüttert.

Alles was Beine hatte, wurde für den Umzug mobilisiert.

Vierspännig zog man durchs Dorf oder nur mal mit einem weißen Schwan.

Warm- und Kaltblüter, reinrassige und gemischte, Ochsen und Esel, Hunde und Katzen, sogar echte Kamele begleiteten unseren Umzug.

 

Schlitten auf Rädern, Nobelkarossen, phantasievolle und phantastische Eigenbauten,

herrliche Landauer und andere Kutschen fuhren im Umzug.

Später waren die LO´s der Edelquelle oder die ZT´s der LPG im nimmermüden Einsatz.

Natürlich gab es auch Perioden, in denen der Umzug schwächelte, als nur 2 Wagen dem Hammel das letzte Geleit gaben.

Ein LPG Vorsitzender, bezeichnenderweise mit dem Papstnamen Pius, wollte den Umzug zum Erntedankfest umfunktionieren und so reihten sich auch schon mal junge Pioniere mit Halstuch, FDJler im Blauhemd, Traktoristen und LPG-isten in den Hammelumzug ein.

In den dunkelrotesten Zeiten des real existierenden Sozialismus wurden zur Überwachung unseres Kirmesumzuges sogar Satellitenaufklärer eingesetzt.

So wusste man bereits kurz nach dem Umzug in der SED-Kreisleitung Worbis, Arbeitsgruppe „Hausener Kirmesumzüge“, dass auf dem Kirmeswagen 3 ein Schulbuch aus der vorsozialistischen Ära gelegen hat und die aufgeschlagenen Seiten

Systemgefährdende Textpassagen enthielten.

Da man den Kreisverantwortlichen glaubhaft versicherte, dass keine konterrevolutionäre Absicht hinter dieser Schandtat steckte, durften wir auch im kommenden Jahr wieder unseren Umzug mit viel Witz und allerlei versteckter Ironie durchführen.

Nach der Wende wurden wir weltoffener, internationaler, Global Player.

Westdeutsche, Europaabgeordnete, hochrangige Politiker, Künstler, Schotten, Ägypter

und sogar Außerirdische besuchten unsere Kirmes.

Man versprach uns blühende Landschaften und verkaufte sogar Grundstücke auf dem Mond.

Zur 800-Jahr-Feier war der Kirmesumzug Festumzug. Dieser Umzug war wohl das Größte was unser kleines Nest bis dahin erlebt hatte.

Bischöfe besuchten unsere Kirmes. Kapläne spielten zum Frühschoppen auf.

Ein eisernes Gesetz ist das Ständchen für den Pfarrer und den Schulzen in unserer Gemeinde.

Nur in diesem harmonischen Nebeneinander von Geist und Seele ist der dauerhafte Erfolg unserer Kirmes begründet.

Bei dem mit Spannung erwarteten Lichtbildervortrag vor wenigen Tagen über 60 Jahre Kirmesumzug in Hausen waren fast das gesamte Dorf, sehr viele ehemalige Hausener

Und sogar „Männer der ersten Stunde“ anwesend.

Hier wurde mit ausdruckstarken Lichtbildern und spannenden Auszügen aus den alten Hammelreden die Geschichte der Kirmes dargestellt.

So mancher stellte erschrocken fest: „Oh je, das war ja ich“.

Sehr schön war die Entwicklung eines verschlafenen Dörfchens, mit riesigen Schlaglöchern und gewaltigen Lagerplätzen von Baumaterial, zu einem schmucken Kleinod in einer reizvollen Landschaft dargestellt.

 

Blicken wir nun auf die Ereignisse des vergangenen Jahres, die durch Karl-Theodor maßgeblich beeinflusst worden sind.

Auch der Umzug im vergangenen Jahr war wieder einsame Spitze.

Eine Mumie mit lustigen weiblichen Grabbeigaben war gekommen, um unsere neue Friedhofshalle zu bewundern. Das A-Team erreichte im letzten Moment unseren Umzug, da es in der Leinefelder Außenstelle noch einige technische Probleme lösen musste.

 

 

Auf dem Weg nach Hausen wurden sie in einem benachbarten Kirmesumzug begeistert begrüßt und spontan als bester Kirmeswagen des Umzuges ausgezeichnet.

Das Highlight war jedoch das Piratenschiff, voll mit kleinen munteren Hausener Piraten die Peter Pan vor Neid hätten erblassen lassen.

Sie geben uns die Zuversicht, dass wir mit diesem Nachwuchs auch noch den 100.Kirmesumzug in Hausen feiern können.

Auch der Vorstand hatte sich etwas Besonderes einfallen lassen. Mit einem neuen Anstecker am Frack wollte man die Festgemeinde überraschen. Doch anstatt eines stattlichen Hammelkopfes wurde ein prächtiger Kürbis als Abzeichen geliefert.

 

Im vergangenen Jahr mussten wir uns nicht nur von den Bittprozessionen zu unseren Nachbarn, sondern auch von unserem langjährigen Pfarrer Franz Konradi verabschieden, der nun seinen wohlverdienten Ruhestand genießt.

Wir werden jetzt von einem medienerfahrenen „Beinahemillionär“ seelsorglich betreut, den wir recht herzlich begrüßen und ihm alles Gute in seinem neuen Amt wünschen.

 

Wieder hatten wir mit einem langen harten Winter und riesen Schneemassen zu kämpfen. Diesmal waren es die Damen, die mit waghalsigen Fahrten auf riskanten Wegen und nur unter Aufwendung der allerletzten Kräfte den heimischen Herd erreichen konnten.

Problematischer waren die Schneemassen für die Anwohner im Winkel. Hier musste täglich geprüft werden: Ist der Schnee vom Himmel gefallen oder kommt er wieder nur vom Nachbarn? Mehrfach wechselten die Schneemassen im Laufe eines Tages den Besitzer.

 

Auch wir feierten wieder Karneval! Mit „Blitz“ und „Donner“ zogen der Präsident und sein Siebenerrat in die überfüllte Festhalle ein.

All denen die im Nachbarort boshaft behaupteten, Hausen kann sich keinen Elferrat leisten, weil sonst alle Anwohner auf der Bühne sitzen müssten, empfehlen wir unsere Prunksitzung.

Ob Garde-Halb-Mutti-Ballett, Alt-Herrenballett oder wir Kirmesburschen als Tenöre,

Blumenmann Rächer aus einen Breiten-Holz und natürlich Kätchen und Eulalia, alle tragen zum Gelingen solcher Veranstaltungen im Ort bei.

 

Angestiftet von Karl-Theodor waren Hausener Reit und Springpferde wieder zu Stippvisiten in der näheren und weiteren Umgebung unbeaufsichtigt unterwegs.

Einmal schlossen sie sich spontan an einen Zugtransport von Luxusautos an und begleiteten ihn auf den Bahngleisen bis zum Leinefelder Bahnhof.

Da der XXL-Ostfriese verhindert war, versuchten gleich mehrere Pferdeflüsterer

Die störrischen Tiere von ihrem Tun abzubringen und aus dem Gefahrenbereich zu locken. Da dies nicht sofort gelang musste die vielbefahrene ICE Trasse „Halle-Hausen-Kassel“ für Stunden gesperrt werden.

 

Die großen Fußballturniere schwächelten in diesem Jahr. Beim Kleinfeldturnier waren nur 3 Mannschaften angetreten. Doch auch dieses Mal konnte die Kirmesburschenmannschaft nicht gewinnen. Auch die Besucherzahl war geringer als sonst, da durch fehlende innerörtliche Kommunikation gleichzeitig weitere Veranstaltungen stattfanden.

 

Beim Waldsportfest war nicht nur der im vorigen Jahr gestiftete Harderholzpokal

verschwunden, auch von den vielen  gemeldeten Kirmesburschenmannschaften war keine da. Nur eine junge, mutige Mannschaft aus Birkungen wagte sich in die Höhle des Löwen. Für den Sieg gab es diesmal keinen Pokal, dafür aber viele aufmunternde Worte unseres Stadionsprechers.

Der Klassiker „Unterdorf gegen Oberdorf“ endete diesmal mit einem knappen Sieg für das Unterdorf. Zum Sportfest wurde unser Waldstadion wieder von vielen fleißigen Helfern bundesligareif herausgeputzt.

 

 

Die hiesige, rüstige Rentnerbrigade, die nun auch durch unseren Altbürgermeister verstärkt wird, leistete nicht nur unzählige Stunden, es mussten sogar Überstunden gemacht werden, um die vielen Aufgaben zu erfüllen. Als dank dafür hatte der Sportverein für die Heimfahrt von der Dorfmeisterschaft einen „Rentnershuttle“angemietet.

Aus Kostengründen mussten aber die Sitzgelegenheiten eingespart werden. Dies nutzte Karl-Theodor und schupste einen der Fahrgäste so bösartig von der Bordwand, das er sich mit einem doppelten Salto Rückwärts, mit anschließender gestreckter Landung,

retten konnte.

 

Dagegen lief es bei der neuformierten Hausener Tischtennismannschaft hervorragend.

Beim ersten Heimpunktspiel in unserem Umfunktionierten Gemeindezentrum wurde der Gegner mit 10:0 von der Platte geschmettert.

 

Der diesjährige Ausflug der Kirmesburschen nach Pullman City stellte alle bisher dagewesenen Ausflüge in den Schatten. Als die erste „Table-Tänzerin“ ihre Show begann,

vergaß so mancher seine gute Kinderstube. Man konnte sich bisher auch nicht vorstellen, wie viele teuer eingetauschte Pullman-Dollars in einem winzigen Stringtanga verschwinden können, und so geriet die Truppe außer Rand und Band.

Selbst für einige Vorstandsmitglieder endete die Aktion mit einem Rauswurf erster Klasse, und statt Übernachtung im Hotel – schlafen im kalten Auto auf dem Parkplatz.

Das Finanzielle Budget einiger Burschen litt extrem unter den außergewöhnlichen Bedingungen.

Zwei unserer Burschen beteiligten sich deshalb auch an einem mit 100€ Siegprämie ausgeschriebenen Chiliwettessen. Auch hier konnten wir den Sieger stellen.

Noch während der Preisverleihung wurde dem jedoch so schlecht, dass er dem überraschten Preisgericht seinen kompletten Mageninhalt präsentierte.

 

Auch die Feuerwehr ist ein engagierter und feierfreudiger Verein.

Beim Ausscheid der Jugendfeuerwehren in der Verwaltungsgemeinschaft belegte unser Nachwuchs den 2. Platz. Beim diesjährigen Stauseefest konnte die Hausener Titanic wieder einmal den ersten Platz erreichen. Während der Siegesfeier bemerkte man jedoch einen dunkelroten Himmel über Hausen und vermutete eine größere Brandkatastrophe im Ort.

Das Feuerwehrauto war sofort einsatzfähig, um zur Brandbekämpfung abzurücken.

Zum Glück stellte sich diese Fata Morgana als sehr seltenes Naturschauspiel heraus und die Feier konnte fortgesetzt werden.

Da dieses außergewöhnliche Naturereignis auch noch die Titelseite des überaus erfolgreichen Hausener Dorfkalenders ziert, wurden die stattlichen Feuerwehrmänner

Zu einem eigenen „Oben Ohne Kalender“ inspiriert. Dieser ist jedoch bisher nur als Bückware, über sehr gute Bekannte mit Beziehungen, erhältlich.

 

Dank Facebook wurde eine Geburtstagsparty am Damm zu einem Riesenevent.

Hinweisschilder an jeder Kreuzung im Umfeld, Bierwagen, Toilettenwagen, externer bewachter Parkplatz und eine überdachte Bühne mit 3 Live-Rock-Bands sorgten für Stimmung und vie Andrang auf dem Damm. Aufgrund der hervorragenden schnapstechnischen Grundversorgung, säumten den Heimweg einige Schnapsleichen.

„Karl-Theodor“ wunderte sich über bisher nicht gekannte Schlafstellungen – mit Oberkörper im Auto und Beine noch draußen davor.

 

 

 

 

 

Eine groß angelegte Diebesserie erschütterte im Frühjahr unseren Ort.

Mehrfach wurden Hühner aus ihren Unterkünften in der Haupt,- und Schulstrasse geklaut. Auch vorschriftsmäßig gesicherte und verkehrstechnisch sicher geparkte Autos wurden rund um den Sommerberg aufgebrochen und ausgeraubt.

Nicht einmal vor dem Auto unseres Bürgermeisters machte der Hammel halt. So ist es nicht verwunderlich, dass jetzt auch noch die ortskernfernen Autos in der Hauptstrasse

geparkt werden müssen.

So hat „Karl Theodor“ im Handstreich die nach unzähligen hitzigen und recht emotional geführten Debatten und nur mit tatkräftiger Unterstützung der Staatsmacht

eingeführte neue Parkordnung im Ort wieder ausgehebelt.

Auch die extra angeschafften “kleinen weißen Friedenstauben“, die nun ständig über unseren Ort kreisen, brachten keine Fortschritte beim großen Ziel „Parkordnung Ortskern“.

 

Erstaunt und erschrocken war der für Hausen zuständige Beamte, als in seinem Standesamt plötzlich mittelalterliche Ritter, Jungfrauen, edle Damen und wohlbetuchte Geldverleiher zur Trauung erschienen. Die Feier wurde dann auch standesgemäß

Auf einer nahe gelegenen Burganlage abgehalten.

 

Die Bautätigkeit im Ort ist weiterhin ungebrochen. Am Gemeindezentrum wurden kosmetische Arbeiten an der Außenfassade durchgeführt und ein neues riesiges Informationsplakat aufgestellt. Der Friedhof bekam einen stilvollen Edelstahlständer

für die Gießkannen. Der obere Sommerweg wurde grundhaft verlängert und ist jetzt auch als Notlandebahn für mittlere Flugzeuge geeignet.

Auch die etwas versteckte neue Brücke über den Laubach möchten wir hier erwähnen. Aus sehr erfreulichem Anlass für unsere Gemeinde sind die Erweiterung des kostenlosen Kinderwagenparkplatzes und eine zweite Sitzgruppe am Spielplatz geplant.

 

Macht weiter so!!

 

In diesem Sinne möchten wir uns für euer zahlreiches Erscheinen bedanken und wünschen euch allen noch frohen und netten Stunden bei unserem Umzug.

Bleibt gesund und munter.

Bis zu nächsten Kirmes grüßen:

 

Die Kirmesburschen

 

© 2011, Autor: Manfred Barthel