Hammelrede 2017

Verehrte Festgemeinde,

liebe Gäste aus nah und fern,

treue Hammelbrüder!

 

Als Vertreter der Hausener Kirmesburschen heiße ich euch zu unserem heutigen Festumzug auf das herzlichste willkommen.

Wieder haben wir uns hier versammelt, um unser 66. Hammelausreiten würdig in heimatlicher Atmosphäre zu begehen.

Auch in diesem Jahr haben wir wieder über Begebenheiten und außergewöhnliche Vorkommnisse in unserem kleinen Dörfchen nach „Hammelbruderart“ zu berichten.

Unser diesjähriger Hammel mit dem Namen „Willi der Wiesel“ hat zahlreiche Untaten verübt, die hier bekannt gemacht werden müssen.

Wir schicken jetzt Reiter und Wagen aus, um diesen Übeltäter zu ergreifen.

 

Reiter und Wagen schwärmt aus!

 

Nachdem die Reiter ausgeschwärmt sind, um den Hammel vor dieses außerordentliche Gericht zu stellen, beginnen wir mit der Verlesung der Anklagepunkte.

 

Skandale am laufenden Band überschatteten das vergangene Hammeljahr schon während des Kirmestanzes.

Die zeitlich nicht mehr messbare und mühevolle Arbeit unseres Hammeladministrators

Hausener Veranstaltungen auch im Internet zu bewerben, trug in diesem Jahr wieder Früchte.

Aus einem benachbarten Bundesland lockte unsere Kirmeswerbung drei wahrhaft lebendige Monster-High-Puppen in unseren schönen Saal.

Unter scharfer Beobachtung der einheimischen Frauen verdrehten sie Willi in null Komma nichts Kopf und Portemonnaie gleichzeitig.

Auf die Frage, ob Willi die Damen an diesem Abend mit in seine berühmte Badewanne nahm, verweigert er bis heute jede Aussage.

Beim Kirmesumzug am Sonntag gab es gleich das nächste Vorkommnis zu verzeichnen.

Nach dem Hammel mit Migrationshintergrund vom letzten Jahr gab es erstmalig den kleinsten Hammel der Hausener Kirmesgeschichte zu sehen.

Es musste extra ein Podest gebaut werden, damit er auf seinem Wagen für die Gäste überhaupt erst mal sichtbar werden konnte.

Geduldig mussten alle Teilnehmer und Gäste des Umzuges im Bereich der Bushaltestelle sein, während sie auf den Vorstand warteten, der über eine Stunde im Winkel verschollen war.

Ob der Pariser, der in der Winkelstraße liegend gefunden wurde, irgendwas mit dem lang andauernden Kaffeekränzchen des Vorstandes zu tun hatte, wird sich sicher noch aufklären lassen.

Wer beim traditionellen Ausklingen des Kirmesumzuges  im Saal zum

Disco-Wunschprogramm noch gemütlich einen trinken wollte,

musste sich damit wieder einmal sehr beeilen, da die Ausschankzeiten entgegen den Vorstellungen des Veranstalters zeitlich sehr begrenzt waren und zum wiederholten Male ein Rausschmiss der letzten Gäste aus dem Saal erfolgte.

Zahlreiche feierlustige Kirmesgäste fanden sich aber nach der viel zu frühen Sperrung des Zapfhahnes auf privaten Höfen und in Garagen zum Après-Kirmesumzug wieder ein und ließen sich die Laune nicht verderben.

Während beim kleinen Kirmestanz der Hausener Festsaal aus allen Nähten platzte und alle Gäste durch die rekordverdächtige Stimmung abgelenkt waren, nutzte der Hammel die Gunst der Stunde, um seinen Randale-Streifzug aus dem Vorjahr fortzusetzten.

Unbemerkt und mutwillig zerstörte er 2 Fensterscheiben am Seiteneingang unseres Festsaals.

 

Dass viele Gastvereine aus dem Umkreis unserer Einladung gefolgt waren, macht den Burschenvorstand stolz und belohnte ihn zusätzlich für viel Mühe und Risikobereitschaft, seinen Gästen ein Kirmesfest auf höchstem Niveau zu bieten.

Die emotionale Verabschiedung zweier langjähriger Vorstandsmitglieder aus der Hauptverantwortung der Hausener Kirmesburschen machte einem unserer Hammelbrüder so zu schaffen, dass er seine frühzeitige Heimkehr von der Festveranstaltung tief bereute und sich entschied, den Rückweg zum Saal anzutreten.

Orientierungslos und völlig von Sinnen versuchte er sein Heim aber nicht durch die Haustür zu verlassen, sondern über den Balkon im Dachgeschoss.

Den unvermeidbaren tiefen Sturz bremste glücklicherweise die Satellitenantenne des Hauses ab, mit der er gemeinsam und unsanft im elterlichen Vorgarten landete.

 

Ein neuer Hund aus der Bergstraße brachte den Hammel im Laufe des letzten Jahres ordentlich zum Schwitzen.

Als selbsternannter Hilfssheriff hatte Willi alle Hände damit voll zu tun, jeden unerlaubten Freigang dieses Hundes festzuhalten, zu dokumentieren und zu melden.

Tagesweise musste der Hammel sich sogar überlegen, ob er sich in erster Linie um nicht gereinigte Straßengossen an kirchlichen Feiertagen oder weiter um das Bewegungsprofil dieses Hundes kümmern soll.

Auch achtete Willi streng darauf, dass berufstätige Einwohner ihrer Pflicht nachkommen, den nach 7 Uhr morgens gefallenen Schnee in ihren zuständigen Räumbereichen zu beseitigen.

Arbeitende und deshalb nicht anwesende Einwohner bekamen kostenlose Luftaufnahmen ihrer Grundstücke mit gekennzeichneten Räumbereichen incl. gesetzlicher Räumzeiten persönlich nach Hause gebracht.

Ein eigener Sachbearbeiter auf dem Ordnungsamt um all diese Flut von Beschwerden zu ahnden und zu richten, ist beim Landkreis beantragt worden, um den Hammel zumindest ein bisschen zu entlasten.

Ganz abgelenkt von der Entstehung prunkvoller Neubauten im Benediktusweg und aufwändigen Ausgrabungen im Klapperfahrt ist vielen Einwohnern bis heute entgangen, dass Hausen seit Neuestem einen eigenen Prozessionsweg sein Eigen nennen kann.

Den Fußweg zur Mariengrotte im Harderholz ziert seit geraumer Zeit ein beeindruckendes Wegkreuz, das in Eigeninitiative unseres Ehrenbürgermeisters und seinen treuen Helfern persönlich angefertigt und aufgestellt wurde.

Hier kann er nun ohne Umweg seine tägliche Harderholzrunde mit Morgengebet verbinden.

Leider ließ es der enge Terminplan unseres Landesbischofs nicht zu, während seines Besuches in Hausen diesen Weg offiziell für Hunde und Fahrzeuge zu sperren und einen Pilgerweg  einzuweihen.

Dafür hat aber die traditionelle Kreuzerhöhungsprozession ab jetzt einen festen Anlaufpunkt der sogar bei schlechtem Wetter begehbar ist.

Das Gerücht das Hausen seit einem Jahr vom Schrecken aller Autofahrer heimgesucht wird, hat zur Freude vieler Anwohner dazu geführt, dass das Verkehrsaufkommen in den letzten Monaten um mehr als die Hälfte zurückgegangen ist.

Von purer Langeweile getrieben sorgte Willi dafür, dass sich einer unserer Einwohner für lange Zeit statt mit dem Auto nur noch mit seinem Kremserwagen fortbewegen konnte.

Rücksichtslos schubste er einen PKW bei Glatteis direkt in ein Wohnhaus.

Den nächsten PKW schubste er direkt in das Geländer der Bahnhofsbrücke, die nicht zum ersten Mal in ihrer Geschichte einem Einheimischen das Leben retten musste.

Aus purer Angst plant die Stadt Leinefelde jetzt die Ortsverbindungsstraße Breitenholz-Gernrode für den öffentlichen Verkehr zu sperren, um sein geliebtes Örtchen vor Willi zu schützen.

Dieser ging aber auf Nummer sicher und zerstörte vorsorglich ein Hauptstraßenschild am Ortseingang, um Ortsunkundige zukünftig über den Sommerberg umzuleiten.

Die Polizei machte mithilfe der Hausener Einwohner und der Feuerwehr Willi dingfest, nachdem dieser wieder ein Auto von der Fahrbahn gerammt und anschließend versucht hatte zu Fuß zu flüchten.

 

Nur Teilerfolge konnte der Hammel bei der Umsetzung einer seiner Jahreshauptpläne verbuchen, als er versuchte, uns Hausenern das Feiern abzugewöhnen!

Zuerst schaffte er es beinahe, die Organisation des Osterfeuers zu verhindern, indem durch neue Umweltgesetze eine Kameraüberwachung für den Aufbau des Osterfeuers eingeführt werden musste.

Danach sorgte er dafür, dass wir erstmalig in unserer Geschichte kein Kleinfeldturnier und auch kein Gemeindefest hatten.

Über unsere Grenzen hinaus gelang es ihm sogar, das diesjährige LKBT zu verhindern.

Nur eine berühmte Feiertruppe aus der Schöllbornstraße ließ sich von ihm nicht in die Knie zwingen.

Mit einer riesigen Geburtstagsparty in filmreifem Ambiente widersetzten sie sich Willis Plan, der dort vor Wut erst mal einen Blumenkübel als Pissoire missbrauchte,

und setzten neue unerreichbare Maßstäbe für Hausener Feierlichkeiten.

 

Jeder von uns kennt die Aussage:

„Früher, das waren noch Zeiten!!“

Das musste einer unserer Burschen, als er beim jährlichen Besuch in Pullman City am Männerwochenende mit PS-starken Autos und jeder Menge Table-Dance plötzlich eine Handynummer einer männlichen Bedienung zugesteckt bekam, schmerzvoll erfahren.

Auch dient der gute alte Gartenzaun heute oft nicht mehr dazu, um über ihm mit dem befreundeten Nachbarn ein Bier zu trinken, sondern mehr um Meinungsverschiedenheiten zu klären.

Zumindest eine positive Entwicklung nach oben,

können die Stammmitglieder der Hausener Feuerwehr stolz verbuchen:

Wo früher tagelang für den Feuerwehrausscheid geübt werden musste, um beim Turnier nicht den letzten Platz zu belegen, reicht heute eine einzige spontane Übungseinheit zu später Stunde, um auf dem Siegertreppchen beim Turnier zu landen.

 

Politisch entwickelte sich das Jahr 2017 weltweit sehr beängstigend.

Die USA wählte einen Präsidenten den niemand berechnen kann.

Frankreich entkam nur knapp einer extrem rechts ausgerichteten Regierung.

Die Türkei ist aus vollkommen unerklärlichen Gründen unserem Land überhaupt nicht mehr wohlgesonnen.

Die Griechen suchen heute noch die Ursache ihrer Staatspleite in Deutschland.

Und der Deutsche Bundestag hat 2017 den langweiligsten, aber harmonischsten Wahlkampf aller Zeiten erlebt – zumindest bis nach dem Wahltag.

Wenigstens konnten Hausen und das ganze Eichsfeld politisch Großes erreichen,

indem sie die geplante Gebietsreform unserer Landesregierung für unbestimmte Zeit auf Eis legten und dem verantwortlichen Minister in Erfurt das Stuhlbein absägten.

Die wohl größte öffentliche Baustelle seit DDR-Zeiten startete dieses Frühjahr im Klapperfahrt.

Durch mehrere Bürgerversammlungen wurden betroffene Anwohner schonend auf die bevorstehenden Einschränkungen und die damit verbundenen Strapazen vorbereitet.

Nur Willi hatte es, wie erwartet, nicht eingesehen und versuchte immer wieder mit altbewährter Eile durch die engsten Baulücken zu brettern oder blockierte unangekündigt Hofeinfahrten, damit Anwohner morgens nicht auf Arbeit fahren konnten.

Andere Anwohner hingegen genossen den ersehnten Verkehrsfrieden,

grillten mitten auf der sonst so gefährlichen Straße gemeinsam mit den Bauarbeitern oder machten Fahrschule auf Baumaschinen.

Trotz der Privatisierung und offiziellen Umbenennung des alten Jugendclubs in „Nebengebäude“ verschwand das Bauwerk nicht von der Beuteliste seiner Einbrecher

aus dem letzten Jahr, die glücklicherweise beim Anzünden eines Bauwagens ertappt wurden und unschädlich gemacht werden konnten.

Auf der weiteren Suche nach Kriminellen im Internet, die möglicherweise das gestohlene Messingschild der neuen Bank an der Mariengrotte auf Ebay-Kleinanzeigen verticken wollen, stießen die Ermittler aber leider nur auf das wohl teuerste Baugrundstück der Hausener Geschichte.

Einige traditionelle Geselligkeiten wurden in unserem Ort auch in diesem Jahr wieder behutsam gepflegt. Der beim Hahnkrähen auf dem Damm entlaufene Siegerhahn ist nicht wie von seinem Besitzer  befürchtet, in irgendeinem Kochtopf gelandet, sondern nach einigen Tagen reumütig zu seinem Harem zurückgekehrt.

Man munkelt, dass dieser sich beleidigt aus dem Staub gemacht hat, weil alle Preise beim diesjährigen Hahnkrähen kurioserweise in den Winkel verliehen wurden.

Gut organisierte Straßenfeste im Winkel und im Klapperfahrt führten nicht nur Nachbarschaften wieder zusammen an einen Tisch, sondern erwirtschafteten auch noch Spendengelder für gute Zwecke.

Stolz können auch die Veranstalter des diesjährigen Hausener Weihnachtsmarktes sein.

Der neue Einnahmerekord von rund 2200,00€ konnte für die Allgemeinheit in die Modernisierung unseres Gemeindesaals investiert werden.

Dass trotz der gesperrten Zufahrt aus Richtung Niederorschel und der traditionell blockierten Zufahrt durchs Örtchen, so viele hier sind, macht uns stolz!

So möchten wir uns, mehr als je zuvor, bei allen, die wieder zum Gelingen unseres Kirmesfestes und stets zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens im Ort beitragen, recht herzlich bedanken.

Im Namen aller Hammelbrüder und im letzten Auftrag von „Willi dem Wiesel“ wünschen wir frohe und nette Stunden hier beim Umzug.

Bleibt gesund und munter!

Bis zur nächsten Kirmes grüßen:

 

Die Kirmesburschen

 

 

Geschrieben 2017

von David Schäfer