Hammelrede 2019
Verehrte Festgemeinde,
liebe Gäste aus nah und fern,
treue Hammelbrüder,
als Vertreter der Hausener Kirmesburschen heiße ich Euch zu unserem heutigen Festumzug auf das Herzlichste willkommen.
Wieder haben wir uns hier versammelt, um unser 68. Hammelausreiten in altbekannt würdiger Form zu begehen.
Auch im Jahr der großen Vereinigung mit unseren Nachbargemeinden haben wir wieder über Begebenheiten und außergewöhnliche Vorkommnisse in unserem kleinen Dörfchen nach Hammelbruderart zu berichten.
Unser diesjähriger Hammel mit dem Namen “Emilio Emmissioni“ hat zahlreiche Untaten verübt, die hier bekannt gemacht werden müssen.
Wir schicken jetzt Reiter und Wagen aus, um diesen im Schafspelz getarnten Übeltäter, zu ergreifen.
Reiter und Wagen schwärmt aus!!
Nachdem die Reiter ausgeschwärmt sind, um den Hammel vor dieses außergewöhnliche Gericht zu stellen, beginnen wir mit der Verlesung der Anklagepunkte:
Mit großer Freude, liebe Freunde der Hausener Kirmes…,
kann das Hammelgericht bestätigen, …. Es geht weiter aufwärts!!
Durch gute Konzepte und langfristige Planung des Hammelvorstandes ist es gelungen, weiter junge und auch nicht mehr so junge, motivierte Burschen in unseren Verein zu integrieren.
Wie in guten alten Zeiten wurde zur letzten Kirmes schon viele Wochen vor dem Festwochenende am ersten Umzugswagen geschraubt, gesägt und fleißig getrunken.
In diesen modernen Zeiten würden selbst schulschwänzende schwedische Umweltaktivisten stolz auf die Hausener Burschen sein, wenn sie wüssten, dass auf nachhaltiges Kirmeswagenbauen geachtet wird – zum Beispiel der Cocktailwagen wieder und wieder genutzt wird, sogar auf einer Traumhochzeit!
Auch die Vollzähligkeit und Pünktlichkeit zu den Veranstaltungstagen haben die Burschen in dieser Saison vorbildlich gemeistert.
Jungs und Mädels, wir sind stolz auf euch!!
Natürlich lässt es sich traditionell nicht verhindern, über das eine oder andere getränke-
verursachte Vorkommnis zu berichten, da in dieser Kirmessaison außergewöhnlich viele Ereignisse notiert werden mussten.
Ärgerlich sollte das aber nur für den Hammel sein, der neidvoll auf seinem Wagen stand und die Geselligkeit und festliche Stimmung durch sein bockiges, stures Wesen nicht genießen konnte.
So sammelte er Berichterstattungen über Kirmesgäste, die in Hofeinfahrten oder gar im Mühlbach liegend, von vorbeikommenden Helfern geborgen werden mussten.
Eine vollkommen überfüllte Badewanne kippte im Saal um, kollidierte mit dem Saalinventar und musste notärztlich versorgt werden.
Ein weiterer Bursche musste nach dem Kirmesumzug wegen Verlust seiner Besinnung und des Gehörs auf die eigene Mutter, mehrfach unfreiwillig nach Hause gebracht werden.
Kurz ausgeruht kam er in rosa Sportbekleidung schnell wieder zum Saal zurück, um zu demonstrieren, dass seine Fitness immer noch höher ist als sein Alkoholpegel.
Der nächste Bursche hatte große Schwierigkeiten in seinem ersten offiziellen Jahr
mit der Trinkfestigkeit seiner Hammelbrüder mitzuhalten.
Beinahe hätte er aufgrund seines Alkoholspiegels nicht gemerkt, dass ihm Emilio heimlich ein Radler untergejubelt hatte.
Dass man niemals die legendäre Feierfestigkeit der Hausener unterschätzen darf,
musste auch die Gattin eines unserer Burschen qualvoll erfahren, als sie den unaufhaltsamen Rückwärtsgang von alkoholischen Getränken erleiden musste.
Der Spaß schlug allerdings in vollen Ernst um, als der Hammel einen verlorenen 200€-Schein auf dem Festgelände fand und ihn nicht ehrlicherweise am Tresen des Saals abgab.
Heute wird der Hammel deshalb noch mal offiziell vom Hammelgericht aufgefordert dieses Unrecht wiedergutzumachen, um damit auch seine heutige Strafe zu mildern.
Durch jugendliche Leichtsinnigkeit hätte der Hammel fast sein Leben verloren, als er nachts am Straßenrand der Schöllbornstraße saß und sich von einem anstrengenden Schlachtfest erholte.
Ein vorbeifahrendes Auto hätte ihn um ein Schafshaar überrollt.
Im eilig herbeigerufenen Rettungswagen kam Emilio wieder zu sich und gab den Rettungskräften deutlich zu verstehen, dass er fit sei und anstatt ins Krankenhaus zu seinem Kumpel in die Ex-Bergstraße gefahren werden möchte.
Auf anderen Veranstaltungen kam der Hammel nicht so glimpflich davon.
Auf einem Rockfestival musste er von Sicherheitskräften in Gewahrsam genommen werden, nachdem er reihenweise weibliche Gäste belästigte.
In der Wintersaison nutzte der Hammel die Gelegenheit, um den Hammelvorstand zu einer riesigen Dummheit zu verleiten.
Unsere Vereinsfahne vor unbefugten aus dem Nachbarörtchen zu beschützen, das bekommt jeder Hausener Kirmesbursche schon mit der Muttermilch eingetrichtert.
Für Vorstandsmitglieder ist es schon seit jeher mit hohen Bierstrafen belegt, diese Fahne an fremde Hände zu verlieren.
Zum Hammelessen in diesem Jahr trug Emilio sie persönlich und freiwillig von Hausen über den Damm in eine bekannte altdeutsche Gastschänke in Breitenholz.
Dort fand ein mit tollen Geschichten geprägter, geselliger Abend statt. Selbst das traditionell viel zu wenige Hammelgulasch konnte diesmal keinem die Laune verderben.
Die Burschen hatten einen Riesenspaß und wurden dort sonst sehr gut versorgt.
Aber wegen des Verlusts der Weihe unserer Fahne wird Emilio deshalb heute offiziell zu einem Fass Freibier verurteilt!!
Das wohl geschichtsträchtigste Ereignis seit der Unabhängigkeit vom Kloster Reifenstein vor vielen Generationen begann für unseren Ort am Neujahrstag.
Die Integration in die große Einheitsgemeinde wurde mit dem 12. Glockenschlag amtlich.
Viele Veränderungen laufen seitdem Schritt für Schritt an und sollen neue Bestimmungen aus dem Landtag in die Praxis umsetzen.
In mehr oder weniger demokratischer Abstimmung konnten die Anwohner der Straßen, die umbenannt werden müssen, ihren Favoriten bei der Gemeinde selbst mitbestimmen.
Auch kommunalpolitisch sind alle notwendigen wichtigen Veränderungen angelaufen.
Bei bundestagsähnlichem Wahlkampf über viele Wochen hinweg sollten sich die Bürger aller Orte unserer Gemeinschaft ein Bild machen wie die neuen Gemeinderäte zusammengesetzt werden, und wer der Kopf unserer neuen Einheit werden soll.
Leider sorgte der Hammel dafür, dass dies nicht mit gewohnter Hausener Harmonie und Sachlichkeit stattfinden konnte.
Durch viel Wahlkampfpost und Wahlveranstaltungen wurde dem einen oder anderen schnell bewusst, dass in der modernen „Demokratie“ nicht gekuschelt wird.
Als der Hammel damit begann, unter dem „Dach der Hausener“ auf dem Gemeindesaal verbal scharf auf Angriff zu gehen, ohne Rücksicht auf alte Weggefährten, langjährige Unterstützer und Freunde, war klar, dass jetzt ein anderer Wind wehen wird.
Diese in Niederorschel übliche Grundstimmung bei Versammlungen, sind wir in Hausen nicht gewohnt und appellieren an jeden, nicht seine gute Kinderstube zu vergessen, um sich auch morgen noch in die Augen sehen zu können. „Wir sind Eins“:
klingt nach großer Zukunft und funktioniert nur, wenn es gemeinsam über den Tellerrand seiner gewählten Partei hinaus praktiziert wird. Ganz im Sinne der Gemeinschaft unseres Ortes und unserer Einwohner.
Da kommen die vielen Hausener Veranstaltungen sehr gelegen um „Einheit“ nicht nur zu predigen, sondern auch gemeinsam zu leben.
Beim diesjährigen Weihnachtsmarkt, der wieder von vielen fleißigen Helfern unter dem Motto: „Trinken für die Glocken“ mitgestaltet wurde, sollte die erste Ansparsumme zur Renovierung unseres Kirchturms eingebucht werden.
Dem durch chronischen Mitgliederschwund gebeutelten Karnevalsverein ist dank seiner unfassbaren Motivation wieder ein großartiges Faschingswochenende gelungen.
Flexibilität war gefragt und wurde umgesetzt:
Da muss auch schon mal der Burschenvorstand als Siebener Rat herhalten.
Und um das „Altherrenballett“ mit seinem bekannten Charme aufrechtzuerhalten, füllten diesmal auch junge Männer so manche Lücke.
Beim Osterfeuer, das seit Beginn jeglicher Wetteraufzeichnungen erstmals bestes Frühlingswetter hatte, ging diesmal nicht die Bratwurst aus und man konnte sich über
viele gut gelaunte Besucher freuen.
Alte Traditionen werden erfolgreich wiederbelebt, wie das Hähnekrähen auf dem Damm, das dieses Jahr wieder zum 8. Mal in Folge stattfand.
Manche Traditionen wurden auch sehr geschickt in neue gemeinschaftliche Veranstaltungen integriert.
So wurde beim Kirmesburschensommerfest das erste Mal Fußball gespielt.
Der alte Klassiker, Oberdorf gegen Unterdorf, unterhielt wieder, wie früher,
seine Gäste nicht durch sportliche Spitzenleistungen sondern durch
sein unverwechselbares Komödien-Flair.
Wie Phönix aus der Asche ist dieses Spiel das letzte Kulturgut aus alten Zeiten des Sportfestes auf der Heide.
Alles andere als langweilig ist es, immer wieder das verrückt gewordene Wetter anzuklagen.
Die steigende Dichte von zerstörerischen Stürmen die unseren Ort heimsuchen ist beängstigend.
Wieder gab es im Winter abgedeckte Dächer und Schäden an Häusern und Autos.
Das gute alte Harderholz hat kaum noch Gelegenheit sich zu erholen, wenn Emilio seine wütenden Orkane zur Rodung der restlichen Waldflächen aussendet.
Die Trockenheit im Sommer veranlasste die Gemeinde sogar dazu, alle für den Rasentraktor unzugänglichen Grünflächen als Notweideflächen stehen zu lassen,
bis Anwohner sie sozialistisch selber mähen oder Emilio seine Familie aussendet, um sie überall im Dorf grasen zu lassen.
Einem jungen Nachwuchs-Rinderzüchter wurden sogar die Grünflächen rund um den Gemeindesaal für landwirtschaftliche Zwecke zugesprochen.
Ungeschickt zerstörte er allerdings seinen Grundstückszaun beim Versuch den wertvollen getrockneten englischen Rasen einzufahren.
Ein altes leidiges Thema weswegen Hammel jedes Jahr aufs Neue angeklagt werden muss, ist die Verkehrssituation hier im Ort.
Kaum ist die neue „verkehrsberuhigte Zone“ durchs Klapperfahrt fertig, wurde sie durch unprofessionelle Ausschilderung in unseren Nachbarorten zur Hauptumleitungsstrecke von gefühlten 100 Dauerbaustellen und Straßensperrungen im Umfeld, bis hin zu Sperrungen der Autobahn.
So ist die Straße, mitfinanziert durch die Hausener Bürger, noch in der Gewährleistungszeit wieder dahin.
Unzählige LKW und Busse drängelten sich täglich rücksichtslos über die Gehwege, dicht an den Hauswänden vorbei. Da musste es erst nach einer Kollision Verletzte in einem Schulbus geben, bevor die Polizei für Ordnung sorgte.
Dass die Lebensgefahr für alle Anwohner um ein vielfaches gestiegen ist, beweisen die komplett schwarz radierten Bordkanten der Gehwege, die eiskalt als 2. Fahrspur für Busse und LKW missbraucht werden.
In den tiefen Wendekratern auf der Kreuzung zur Bushaltestelle sollen sogar schon kleinere Fahrzeuge verschwunden sein.
Die letzte sichere Zone für Fußgänger im Unterdorf ist nun der neue Gehweg zum Bahnhof, der zur Freude aller Bahreisenden in diesem Sommer fertig gestellt werden konnte.
Weitere Veränderungen werden dem Namen „Hausen“ trotz der Eingemeindung in den Geschichtsbüchern einen ewigen Platz sichern.
Die Panzerknacker und die berühmte Olsenbande haben noch schnell Routenplanung betrieben, bevor Hausen in neueren Navigationssystemen nicht mehr zu finden ist.
Ihnen ist zu Ohren gekommen, dass sich in der Ex-Hauptstraße jetzt der wohl einbruchsicherste Tresor der Welt befinden soll.
Auch ob sie das historische Ortschild mit der Aufschrift „Hausen > Kreis Worbis“
stibitzt haben, oder ob es patriotische Einheimische waren, wird gerade ermittelt.
Noch mehr aber sind diese Gauner am neuen Patent des aus dem Mittelalter bekannten Kerbholzes interessiert.
Clevere Hausener benutzen es seit neuestem als Zähler für vertilgte Bierkisten und geben dem alten Zählholz für Straftaten einen ganz besonders neuen Charme.
Im letzten Anklagepunkt muss dem Hammel wiederholt Störung des örtlichen Friedens, Beraubung von freien Entscheidungen und Freiheit auf eigenen Grundstücken vorgeworfen werden.
Durch seine sturen Baugesetzte ist es zum Beispiel dem allgemeinen Häuslebauer heute kaum noch möglich selber zu entscheiden, was er in seinem Garten für Bäume setzten, geschweige noch welche man ohne Genehmigung entfernen darf.
Dem Fass den Boden schlägt es aber aus, dass man jetzt für eine Baugenehmigung Emissionswerte für Tiere nachweisen muss, während man im Winter von allen Seiten mit dichten Rauchschwaden aus Schornsteinen vergiftet wird.
Vergangene Generationen hätten heute alt ausgesehen, als jeder noch eine Güllegrube, Ofenheizung und eine große Anzahl von Nutztieren auf dem Hof hatte.
Da wir trotz moderner Zeit und immer westlicheren Ansichten des Lebens, den Sinn der Hammelanklage aus alter Burschentradition nicht vergessen haben, sparen wir uns Floskeln wie: „Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig bla bla bla“ und möchten uns wieder einmal bei allen die zum Gelingen unseres Kirmesfestes und stets zur Aufrechterhaltung von Hausener Harmonie und Lebensqualität beitragen, recht herzlich bedanken.
In diesem Sinne und im Namen aller Hammelbrüder wünschen wir noch friedliche und
unbeschwerte Stunden bei unserem Umzug.
Bleibt gesund und munter.
Die Kirmesburschen
Geschrieben 2019 von
David Schäfer