Hammelrede 2023

Verehrte Festgemeinde,

liebe Gäste aus nah und fern,

treue Hammelbrüder,

 

als Vertreter der Hausener Kirmesburschen heiße ich euch zu unserem heutigen Festumzug auf das herzlichste willkommen.

Schon wieder ist ein Jahr vergangen und wir haben uns hier versammelt, um unser 72. Hammelausreiten in altbekannter, würdiger Form zu begehen.

Auch in diesem Jahr haben wir wieder über Begebenheiten und außergewöhnliche Vorkommnisse in unserem kleinen Dörfchen nach Hammelbruderart zu berichten.

Unser diesjähriger Hammel mit dem Namen “Hardy der Holzseelsorger“ hat zahlreiche Untaten verübt, die hier vor diesem traditionellen Kirmesburschengericht bekannt gemacht werden müssen.

Wir schicken jetzt Reiter und Wagen aus, um dieses heimtückische und hinterhältige Tier im Schafspelz aus seiner Herde zu erhaschen.

 

Reiter und Wagen, schwärmt aus!!

 

Nachdem die Reiter ausgeschwärmt sind, um den Hammel vor dieses außergewöhnliche Kirmesburschengericht zu stellen, beginnen wir mit der Verlesung der Anklagepunkte:

Unser diesjähriger Hammel ist wieder mal einer der hinterhältigsten seiner Art und steht seinen Vorgängern in nichts nach.

So fing er gleich zum Saisonstart am letzten Kirmesfreitag an und führte gezielt alle beteiligten Burschen beim Ausgraben der Kirmes in die Irre. Nur durch puren Zufall traf man beim Graben zwischen allerlei Unrat auf die für immer verloren geglaubten Schnapsflaschen…. und auch auf noch weitere ältere aus Vorjahren.

Diese Situation verzögerte den Start unserer beliebten Dorfdisco ungemein.

Dass der mit Freude wiedergefundene Schnaps in vollem Umfang entleert werden musste, versteht sich von selbst.

Ein Husener lässt ja bekanntlicherweise, von Natur aus nichts umkommen.

Vom Geist des Schnapses benebelt, zettelte der Hammel gleich am ersten Abend des Kirmeswochendendes wortwörtlich eine sehr „dämliche“ Rangelei an.

Das war natürlich ganz im Sinne von Hardy, der auch gleich seine nächste Untat

ins Rollen brachte, indem er neidisch auf die überwältigende Stimmung beim Hausener Kirmestanz über Land in Richtung Niederorschel nach Hause lief und dort heimtückisch eine Pferdeweide öffnete.

Dass diese Untat in der Nähe der Bahngleise geschah und große Gefahr im Verzug bestand, interessierte weder ihn noch die „zufällig“ vor Ort anwesenden Ordnungshüter, bei der Beschlagnahmung einer Fahrerlaubnis.

Noch müde und völlig aus dem Konzept von den ersten 2 Kirmestagen voller Hinterhältigkeiten schien der Hammel kurz den Faden verloren zu haben.

Für die Umsetzung von weiterem geplanten Unrecht fehlte ihm kurzzeitig der Antrieb.

Einem heimatlichen und sonnigen Kirmessonntag stand dadurch nichts mehr im Wege.

Der beste Tag des Jahres in allen Hausener Kalendern startete zum Festhochamt mit neuem Seelsorger und ordentlich frischem Wind aus dem Weihrauchfass…geschwenkt durch 2 rekrutierte und sehr kräftige Messdiener.

So mancher Bursche bereute seine Sünden der Vortage und musste seinen Kreislauf erst mal mit einem Frühschoppenbier wieder in Gang bringen.

Beim anschließenden Umzug war deutlicher als je zuvor zu sehen, was die Hausener Kirmesgemeinde so beschäftigt.

Fast jedes Motto hatte irgendwas mit Energiekrise oder Brennstoffen zu tun, da der Winter vor der Tür stand, alle Einwohner von der Regierung in Panik waren und Angst vor dem wirtschaftlichen Ruin hatten.

In Selbstjustiz waren furchterregende Ressourcenjäger unterwegs und raubten selbst der armen Hexe „Baba jaga“ das letzte russische Gas aus ihrem Hühnerfuß, um für die Hausener den Winter zu sichern.

Wo die Krawatte eines Breitenhölzer Kirmesburschen am Schläger eines der Jäger herkam, wollen wir gar nicht wissen und wird hoffentlich auch nicht weiter ermittelt.

Andere gingen da humanitärer ans Werk und teilten Stromausfall Notfallsets aus.

Zum Kirmesmontag wurde der Hammel wieder munter und ging mit neuer Kraft ans Werk.

Das Dusseligste, was er jemals fertigbekommen hat, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Gleich nach dem Segen am Hausener Weltkriegsdenkmal beim Burschenamt, war die erste Hälfte der Hammelbrüder, getrieben vom Durst, schon weg und die andere Hälfte machte ein Fotoshooting, während der Ehrenkranz noch vergessen und unbeachtet an der Kirchenmauer lag.

Vom schlechten Gewissen geplagt, traute Hardy sich den ganzen Kirmesmontag nicht mehr auf den Saal und stellte sich zu allen anderen, die lieber an der Raucher-Insel den Tag verbrachten, um dort Jahr für Jahr die feierlustigen Gäste abzufangen.

Die frohe Kunde, dass es in Hausen wieder einen Mittelalterweihnachtsmarkt gibt, wurde professionell in mittelalterlicher Sprache als Postwurfsendung an alle Einwohner verkündet.

Darüber freuten sich nicht nur die Anwohner, sondern auch viele auswärtige Gäste, die von klassischen Weihnachtsmärkten mal eine Abwechslung brauchten und nach etwas Besonderem suchten.

Den privaten Organisatoren in Zusammenarbeit mit vielen fleißigen Einheimischen und beteiligten Vereinen sei Dank für diese unvergessliche Weihnachtsstimmung.

Nur wenige wussten zu dieser Zeit, dass es vorerst die letzte öffentliche Veranstaltung auf dem Damm ist, vor der Zerstörung dieses Hausener Wahrzeichens.

Pünktlich im neuen Jahr kreiste ein Hubschrauber über unserem Naturreservat und begann die radikal gerodeten Bäume zu meterhohen Haufen auszufliegen.

Dabei entstand auch klammheimlich ein großer Haufen ausgewählter Stämme in Hardys Garten, ohne Absprache.

Die neue Waldschenke auf dem Viereck war gerade erst als neuer Naherholungspunkt zurückgewonnen und wird nun mehr erfolglos als neuer Aussichtspunkt in Richtung des Örtchens angeworben.

Die Initiative einiger Naturschützer, jede zu rettende alte Eiche am Bahndamm mit 1 € pro Kiste Bier zu retten, wurde von unzähligen auf Brennholz lauernden Hausener Sparfüchsen ausgebremst.

Um hier eine friedliche Verteilung zu organisieren, musste ein mutiger Mann mit viel menschlichem Feingefühl als Moderator und Seelsorger eingesetzt werden.

Wegen zu hoher Absturzgefahr am nun kahlen steilen Bahndamm, musste deshalb auch das diesjährige Osterfeuer erstmals an einer Alternativstelle stattfinden.

Hierzu war einer der 5 verwaisten Bauplätze im neuen Wohngebiet perfekt geeignet, was dem Hammel allerdings gar nicht schmeckte.

Um sein gerade erst ergattertes brennbares Gold vom Damm in seinem Garten vor Dieben zu schützen, forderte er übertriebenerweise die Veranstalter auf, dort einen diebstahlsicheren Schutzzaun zu errichten.

Auch Fasching wurde in Hausen wieder tüchtig gefeiert.

Sichtbar nervös aber mit seinem einzigartigen Witz und Humor führte unser Piccolo endlich wieder durch einen Büttenabend der Superlative.

Ungebremst in seiner Motivation gab es von ihm sogar noch einen Überraschungsbonustrack zum alljährlichen internen Kirchenchorfest.

Auch gab es noch nie so viel motivierten und talentierten jungen Nachwuchs wie in dieser Saison, und diesen zu koordinieren war eine wahre Meisterleistung unserer Tanztrainerinnen.

Die unvergessenen und legendären Dorftratschen Kätchen und Euladia müssen ab nun unumstritten ihren Kultstatus mit Tobi und Glori teilen, die sich dieses Jahr ein klein wenig kürzer fassten und dadurch bis zur letzten Minute tosenden Applaus bekamen.

Aber wie soll es anders sein…wo gute Stimmung ist, da muss der Hammel wieder stänkern.

So schubste er heimtückisch den Kapellmeister aus seiner kleinen Ecke die Treppe runter, den er dadurch schwer verletzte. Und das tat der Hammel angeblich nur, weil er den Karnevalsmarsch nicht mehr ertragen konnte.

Auch so manche Eltern kamen ins Schwitzen, als ihre Kinder zum Kinderfasching auf einmal mit Parisern in der Hand und unangenehmen Fragen vor ihnen standen.

Hardy streitet derzeit immer noch ab, irgendetwas mit diesen Streichen zu tun zu haben.

Nun denkt sich der eine oder andere Außenstehende vielleicht:

Die Hausener, die glauben, sie haben große Probleme mit ihrem Hammel?

Das ist doch alles nicht so wild, wenn man sich mal im Rest der Republik umschaut:

So viele Gefahren rücken näher, und es wurden mittlerweile auch schon die ersten Straßenkleber im Eichsfeld gemeldet.

Deshalb gilt die besondere Aufmerksamkeit der Hausener Einwohner unserem Hammel, damit er sich nicht wie einige seiner Kollegen, mit den Hufen auf dem neuen Asphalt unseres Ortes festklebt.

Sinnbildlich für die rückläufige Entwicklung des ganzen Landes steht auch unsere deutsche Fußball-Nationalmannschaft, die einst Angstgegner auf der ganzen Welt war, und nun bei der letzten Weltmeisterschaft als Land der ausgehenden Lichter gegen das Land der aufgehenden Sonne, mal wieder frühzeitig ihre Koffer packen musste.

Einen definitiv besseren Unterhaltungswert hatte da unser Traditionsfußball „Unterdorf gegen Oberdorf“, das auf frisch gewalztem Kleinfeld auf dem Sommerfest des Ortsteilrates ausgetragen wurde, und trotz umstrittener Schiedsrichterleistung mit einem ausgeglichenen und gerechten Ergebnis endete.

Oder große Hausener Geburtstagsfeten mit flippigen Mottos, zu denen gegebenenfalls auch schon mal ein berühmter Ruschebart geopfert wird, um Mut zu zeigen.

Den Hausener Mut zu außergewöhnlichem sieht man hier auch an der neuen Farbgebung einiger Hausfassaden.

Von erfrischender Zitrone über Pink mit abgesetzter Brombeere oder kitschigem Schlumpfblau kann man hier alles erleben und bekommt dabei ein ganz himmlisches und fruchtiges Gemüt.

Auch freut sich unser Ort über einen Aufschwung in der Kirchengemeinde.

Mit unserem neuen und äußerst sympathischen Seelsorger an der Spitze fand sich problemlos ein neuer Trupp Messdiener mit hoffentlich weiterwachsender Tendenz.

Diesen wurde sehr geduldig und liebevoll von einem alten Hasen im Geschäft über Wochen dieses ehrenvolle Amt angelernt.

Diese Neuigkeit lockte sogar kurzzeitig mal einige U-Boot-Christen, die mal auf und dann wieder abtauchen, in die Kirche.

Ziemlich wenig Erfahrung scheint der Hammel auch mit der Aufstellung,

Befüllung und Entleerung von handelsüblichen Poolanlagen zu haben.

So ärgert sich ein geduldiger Nachbar immer noch über seinen weggespülten Gemüsegarten im letzten Jahr, da geht Hardy seinen nächsten Versuch an, einen Pool an schräger Hanglage aufzubauen.

Die frisch eingelassenen Wassermassen, im Pool mit einer gewissen Unwucht,

flossen diesmal aber Gott sei Dank ganz langsam über Nacht durch die eigene Scheune ab.

Ja, liebe Freunde der Hausender Geselligkeit,

es gibt noch weiteren Grund, stolz zu sein, denn die Entwicklung auf menschlicher Ebene, die unseren Ort immer wieder ausgezeichnet hat, ist alles andere als rückläufig.

Durch die altbewährte „Das mach me salber“-Mentalität rüstiger Rentner ziert die alte Eiche hier am Gemeindezentrum, welches leider weiterhin ohne eigene Schlüsselgewalt ist, nun eine wunderschöne Seniorenbank.

Auch für unseren verloren geglaubten Sportplatz auf der Heide steht es seit diesem Jahr 1:0 für die Liebe aufgrund einer Traumhochzeit in dieser idyllischen Lage.

Beim Spätsommerfest mit kirmesähnlichem Charakter hatten alle Einwohner die Gelegenheit, ausgelassen zu reden, zu feiern und unterm Sternenhimmel zu tanzen.

Gott sei Dank war da der Hammel im Urlaub und nahm auch auf die Minute genau den Regen mit dorthin.

Unser Schulze hielt eine Ansprache an alle Gäste und vermittelte allein durch seine Anwesenheit wieder dieses WIR-Gefühl wie in einem guten alten Heimatfilm.

Das Highlight war jedoch die Uraufführung einer eigenen neuen Blaskapelle.

Spätestens an diesem Tag waren alle froh, dass die 3 weißen Birken in Richtung Bahnhof noch eine Schonfrist vor der Kettensäge hatten und ordentlich besungen werden konnten.

Wir freuen uns auch, dass diese mutigen Musikanten, die 2 Hausener Mitglieder zählen, morgen zum Kirmesfrühschoppen uns mit Feierstimmung unterstützen und sind sicher, dass hier selbst die Raucher-Insel vor dem Saal nichts entgegenzusetzen hat.

Große Freude verspürte der Hammel, als er die Abnahme zur Fertigstellung des nächsten Meilensteines im Hausener Kanal und Straßenbau unterzeichnete.

Ganz im Sinne des Fertigstellungstermins schaute er auch gern mal drüber weg als sich im Verlauf des Gehweges entlang des Mitteldorfes verschiedene Legemuster einschlichen…

In Niederorschel sieht das mit dem dort eingesetzten hochwertigem Kleingranit ja auch sehr ansehnlich aus.

Viele Anwohner, die über eine lange Schlechtwetterperiode Schlick und Baustellendreck von einer nicht winterfest gemachten Baustelle geduldig bis in ihre Häuser ertragen haben, warten nun gespannt auf die gestalterische Vollendung des Lindenplatzkonzeptes……hoffentlich nicht vergebens.

Bis dahin ist ja auch noch genügend Zeit, um die eine oder andere Zuständigkeit

zur Pflege der vielen neuen Kleingrünflächen zu klären.

Des Weiteren war der Hammel eifrig damit beschäftigt, aufzupassen, dass sich Anwohner nicht mit ihrer Straßenreinigungspflicht an die langen Abstände der Grünpflege vom Bauhof anpassen.

Hier wurde die eine oder andere Ermahnung ausgesprochen, die auch teilweise den gewünschten erzieherischen Erfolg eingebracht hatte.

Dreist war nur, dass Hardy eine Woche nach Aufforderung zur Straßenreinigung auf sämtliche neue Gehwege eine weitere Ladung Einkehrkies verteilen ließ.

Dass betroffene Anwohner da nicht mehr ruhig bleiben, sollte vollkommen verständlich sein.

Zu schneller Hilfe wurden unter anderem die Kameraden der Niederorschler Feuerwehr über die Leitstelle gerufen, um die Bergung eines vom Bandscheibenvorfall Heimgesuchten in den Rettungswagen zu unterstützen.

Mit großer Bewunderung im vollbesetzten Einsatzfahrzeug beobachteten die Kameraden, als sie eintrafen, unseren „Ein-Mann Einsatztrupp“ der Hausener Feuerwehr, trotz derzeit abgemeldetem Fahrzeug, schon beim Abschluss der Bergung.

Er war zu Fuß schneller am Einsatzort als seine Kollegen und zeigte, dass die Hausener immer noch da sind, und wenn es sein, muss auch zu Fuß.

Unser gallisches Dorf in der Einheitsgemeinde beweist auch an weiterer Stelle, dass es noch mehr Helden in unseren Reihen gibt.

So kam es durch einen goldenen Schuss in der Vergangenheit nicht nur zum langersehnten Wiesel-Nachwuchs, sondern nun auch zur Besteigung des Schützenthrones im großen Leinefelder Schützenverein.

Auf unsere Majestät sind wir sehr stolz und sie lässt verlauten, dass im nächsten Jahr

sogar eine Doppelkrönung für Hausen möglich ist.

In diesem Sinne schließen wir für heute die Anklagepunkte und gehen zur Urteilsverkündung über!

Wir verurteilen hiermit, am heutigen Kirmestage, den diesjährigen Hammel zu folgenden Strafen:

Im ersten Punkt hat er umgehend das Ortsausgangsschild nach Niederorschel wieder an seine originale Stelle zurückzuversetzen, damit aufgrund der gezielt zu kurzen Messdistanz wieder Geschwindigkeitsprüfungen durchgeführt werden können.

So einfach kann man es sich nicht machen, nur um die anhaltenden Beschwerden von besorgten Anwohnern auszuschalten.

Des Weiteren hat er im zweiten Punkt dafür zu sorgen, seinen Komplizen preiszugeben, der seit Monaten im gesamten Dorf verantwortlich für unzählige vermisste Hauskatzen ist. Ihr Verbleib ist unmittelbar aufzuklären, denn die Beseitigung dieser Tiere ist alles andere als ein Kavaliersdelikt. >

Im dritten und letzten Punkt fordern wir den Hammel auf, seine Zusage für neue Fußballtore auf dem Kleinfeld und die neue Zapfanlage für den Hausener Gemeindesaal einzuhalten, die nötigen Mittel dafür freizugeben und nicht weiter auf Zeit zu spielen. >

Anschließend wird er dann seinem Scharfrichter übergeben.

Auch im nächsten Jahr soll es hier in unserem Heimatort wieder heißen:

„Kirmes soll sein!“

Wir freuen uns heute schon wieder auf alle Gäste, einheimische, altheimische und die, die extra über Land kommen, um uns hier jedes Jahr die Treue zu halten!

In diesem Sinne schließen wir diese Sitzung und wünschen im Namen aller Hammelbrüder noch frohe und nette Stunden hier. Bleibt gesund und munter!

Bis zur nächsten Kirmes grüssen:

 

Die Kirmesburschen

 

Geschrieben 2023 von

David Schäfer