Hammelrede 2018

Verehrte Festgemeinde,

liebe Gäste aus nah und fern,

treue Hammelbrüder.

 

Als Vertreter der Hausener Kirmesburschen heiße ich euch zu unserem heutigen Festumzug im Jahr 2018 auf das herzlichste willkommen.

Wieder haben wir uns hier versammelt, um unser 67. Hammelausreiten in würdiger Form zu begehen.

Selbst wenn damit der Kirmesverein den Eintritt ins reguläre Rentenalter erreicht hat und das Durchschnittsalter seiner Mitglieder weiter steil ansteigt, haben wir auch in diesem Jahr wieder über Begebenheiten und außergewöhnliche Vorkommnisse in unserem kleinen Dörfchen nach Hammelbruderart zu berichten.

Unser diesjähriger Hammel mit dem Namen „Dagobert der Datenschützer“ hat wieder zahlreiche Untaten verübt, die vor diesem hohen Gericht bekannt gemacht werden müssen.

Wir schicken jetzt Reiter und Wagen aus, um diesen im Schafspelz getarnten Übeltäter zu ergreifen:

Reiter und Wagen schwärmt aus!

Nachdem die Reiter ausgeschwärmt sind, um den Hammel vor dieses außergewöhnliche Gericht zu stellen, beginnen wir mit der Verlesung der Anklagepunkte:

Unser diesjähriger Hammel, der mit Abstand einer der merkwürdigsten ist, den unsere Kirmes je erlebt hat, fiel gleich während der traditionellen „After-Kirmesumzugsparty“ negativ auf.

Beim übermütigen Versuch einen unserer Burschen heiß zu tanzen und den Kopf zu verdrehen, haute er diesen nicht nur aus den Socken sondern gleichzeitig auch unsanft aus seinem Rollstuhl.

Der traditionelle Umzug startete auch im letzten Jahr wieder mit mühevoll vorbereiteten Wagen und Kostümen.

Aus Disneyland besuchten uns viele hochrangige Stars, die für unsere Gäste herrliche Fotomotive abgaben.

Beindruckend war auch, wie viele unserer Gäste ohne Scham, Hemmschwelle und vor den Augen der eigenen Ehefrauen im mobilen Nagelstudio verschwanden, in dem sich attraktive Damen ihre Finanzierung des Kirmesfestes sicherten.

Allen Burschen, die sich wieder einmal vom Hammel überreden ließen, während der Kirmes in den Urlaub zu fahren, sind spätestens hier um eine spannende Lebenserfahrung betrogen worden.

Nachdem sich eine eigens für Hausen eröffnete Strandbar mit kostenloser Fahrt auf einem Bananaboot in den Umzug einreihte, verzog sich auch endlich der bis dahin unaufhörlich strömende Regen mit samt seinem Schlechtwetterfluch weit hinter den Bahndamm, wo er eigentlich herkam.

Es ist kein Geheimnis, dass bei uns in Hausen auch außerhalb der Kirmes immer was los ist. Alte traditionelle gesellschaftliche Ereignisse wie zum Beispiel das Sportfest im Harderholz werden gebührend durch neue Highlights ausgeglichen.

Einen Mittelalter Weihnachtsmarkt mit musikalischer Unterhaltung durch originale Minnesänger in uriger Stimmung konnten sonst nur mit Steuergeldern finanzierte Burgen im Eichsfelder Umkreis auffahren.

Selbst dass wir einen hochtalentierten Handwerker für Holzspielzeug in unseren Reihen haben, wussten zu diesem Zeitpunkt die wenigsten Einwohner.

Zum traditionellen Hammelessen wurde den meisten Burschen himmelangst und bange, als es hieß: das Hammelgulasch gibt es dieses Jahr wieder auswärts!

Noch auf dem Weg Richtung Hausener Bahnhof überlegte der ein oder andere kehrtzumachen, bei dem Gedanken an das Trauma damals in Breitenholz.

Die Angst vor diesem Ziel ließ viele vergessen, dass dort ja gar keine Züge hinfahren.

Selbst der Rückweg war für viele Burschen eine Tortur.

Halb verhungert vom üppigen Mahl und erfroren vom kalten Ambiente schleppten sich 2 Burschen bei Eiseskälte und Glatteis „soweit die Füße tragen“ von Niederorschel zurück in die heimische Sicherheit.

Ein weiterer Bursche glaubte sich auch wieder sicher zu Hause, als der Hammel die spiegelglatte Dorfkreuzung nutzte, um mit ihm einen Rollstuhl-Drift zu wagen….was leider gründlich schiefging.

Zur lang vorbereiteten Karnevalssitzung in unserem Gemeindesaal gab es wie gewohnt Hochstimmung und gute Laune in Überdosis.

Während sich der Siebener Rat an den mühevoll einstudierten Tanzaufführungen der neuen kleinen und großen Tanzgruppen erfreute, fühlte sich unser Präsident in seiner neu angeschafften Uniform sichtlich unwohl.

Im nagelneuen Stöffchen des Rates hatte er große Mühe seine Gewissensbisse wegen der neuen blau-weißen Farbe in den Griff zu bekommen.

Clever nutze er die ungeplante und kurzfristige Abwesenheit des Vereinsvorsitzenden, der wie auch zu Heiligabend auf die Suche nach seinen entlaufenen Pferden eilen musste, und wandelte das Motto des Abends spontan in „Schlumpf-Hausen HELAU“ um.

Viele weitere gesellige Höhepunkte im Verlauf des Jahres beweisen, dass die Hausener es immer noch draufhaben, trotz steigendem Alltagsstress die Dorfgemeinschaft in heimatlicher Atmosphäre aufrechtzuerhalten.

Hierbei spielt der Damm als kulturelles Zentrum unseres Ortes – wie früher – die bedeutendste Rolle.

Der Versuch von Dagobert die Geselligkeit im Keim zu ersticken, indem er am Osterfeuer große Baumwurzeln entsorgte und damit schlechte Stimmung verursachte, hatte aber nur kurzzeitigen Erfolg.

Das Sommerfest der Kirmesburschen, mit Technik wie bei einer Großveranstaltung, wurde mit einer beeindruckenden Ansprache unseres Vereinsvorsitzenden eröffnet und bot Turnierspiele, super Stimmung und eine WM-Party gleichzeitig.

Eigentlich sollte dieser Tag all denen eine Dankesveranstaltung sein, die immer am Gelingen der Kirmes großen Anteil haben, aber viele trauten sich dann doch nicht, weil der Hammel ausgerechnet heute für unbeständiges Wetter sorgte.

Zu Christi Himmelfahrt leitete Dagobert 4 unserer Burschen so hinterlistig von ihrem Wanderweg ab, dass sie auf dem Weg zur ersehnten Biertränke über hohe Weidezäune klettern mussten. Völlig ahnungslos scheuchten sie dabei 2 wütende Bullen auf und brachen auf dem Rückweg zum rettenden Weidezaun sämtliche Geschwindigkeitsrekorde.

Auch das berühmte „Hausen Open Air“ konnte wieder noch einen draufsetzen:

Mit einer angesagten AC/DC-Coverband lockte man wieder viele auswärtige Gäste an, die Hausen ohne Navigationsgerät niemals gefunden hätten.

Da der Damm keine eigene Adresse hat, fanden trotz guter Ortskenntnis, aber leider nur wenige Einheimische den Weg zum großen Event.

Als zweitältester aktiver Verein feierte der Hundesportverein „Ortsgruppe Hausen“

ihr 50-jähriges Bestehen stilvoll vor Vertretern aller einheimischen Vereine und Gästen. Mit einem hochinteressanten Bildervortrag und den dazugehörigen Geschichten von früher fesselte man die Aufmerksamkeit aller Anwesenden.

Da die Einführung eines goldenen Buches in unserem Ort zu kurzfristig war, wurde der 1.Vereinsvorsitzende vom Hundesportverein gebührend vom Dorfschulzen mit einer Ernennungsurkunde für seine zahllosen Dienste in unserem Ort geehrt.

Hierzu auch noch mal von uns Riesenrespekt…auch dafür, dass du es geschafft hast, wieder einheimische Mitglieder zählen zu können!

Manch eine Wohnlage in unserem beschaulichen kleinen Ort hat sich seit der Wende so stark verändert, dass der ein oder andere Anwohner am liebsten sein geliebtes Eigenheim unter den Arm klemmen würde und ein paar Straßen weiter wieder aufstellen möchte.

Während neue Häuser in traumhaft ruhiger Lage, aber mit nicht so rosigen

Zukunftsaussichten zum Wohnzimmer hinaus entstehen, trauern einige Bewohner des Unterdorfes der ruhigen Verkehrslage während der Vollsperrung nach. Während viele Kinder die Rückumstellung auf die alte verschärfte Verkehrssituation ganz gut überstanden haben, gab es unter den vierbeinigen Dorfbewohnern schon das erste Opfer.

Andere kleine Seitenstraßen entwickeln sich prächtig und es macht Freude zu beobachten, dass mit viel Fleiß und freundschaftlicher Hilfe unter anderem ein waschechter „Wieselbau“ entsteht.

Das wohl meistdiskutierte Thema in diesem Jahr ist unumstritten der Umbau des guten alten „Klapperfahrt“ in eine verkehrsberuhigte Rennstrecke in Richtung Niederorschel.

Diese Baustelle spaltete unser bisher friedliches Dörfchen in zwei überzeugte Meinungen über die Notwendigkeit oder Unsinnigkeit dieser Maßnahme.

Vor allem der Hammel trug viel zur ungemütlichen Stimmung bei, indem er mit seinem kreuzgefährlichen Halbwissen über Details dieses Jahrhundertbauwerks viele Hausener Anwohner noch mehr verunsicherte, als sie eh schon waren.

Unzufrieden mit der Ausführung der neuen Straßenhöhe vor seinem Grundstück, legte Dagobert in einer Nacht-und-Nebel-Aktion selbst Hand an an die frisch gesetzten Straßenborde und passte diese klammheimlich an seine alte Einfahrtshöhe selbst an.

Mit prüfendem Fadenkreuz im Auge wunderten sich am nächsten Tag einige selbsternannte Bauleiter über den eigenartig ausgeführten Verlauf des neuen Gehweges.

Diese Baustelle riss nicht nur finanzielle Löcher in die Portemonnaies ALLER Einwohner sondern auch ein ganz entscheidendes in die Ölwanne von Dagoberts Auto.

Leichtsinnig und mutig quetschte er sein Auto durch den abgesperrten Bereich mit der Folge einer Ölkatastrophe durch ganz Hausen bis hinüber ins Örtchen, wo sein strapaziertes Gefährt mit Motorschaden endgültig den Geist aufgab.

Die Krönung der Peinlichkeit kam anschließend als die Breitenhölzer Feuerwehr, vor den Augen unseres Dorfschulzen, den Ortskern von der Ölpest „grinsend“ befreite.

Glückseeligerweise rettete das Können eines einheimischen LKW-Fahrers den Ruf der Hausener, als ihm die riskante Durchfahrt der illegalen Baustellen-Abkürzungsstrecke über den Gartenweg mit seinem Mülltonnen LKW ohne Schaden anzurichten gelang.

Getreu dem Motto „das hets freher net gegan“ stehen sich selbst unsere Dorfältesten kopfschüttelnd gegenüber, wenn sie beim „Spelle“ auf das diesjährige Wetter zu sprechen kommen. Nach dem wütenden und zerstörerischen Sturm im Winter zog diesen Sommer ein waschechter Sandsturm auf. Dieser kam so unerwartet und heimtückisch auf, dass selbst Dagobert mit seinem Fahrrad unterwegs im Straßengraben Schutz suchen musste. Ohne einen Tropfen Regen mitzubringen verzog sich der Sturm wieder und der eh schon niedrige Grundwasserspiegel konnte sich wieder nicht erholen. Gleichgültig wurde er vom Hammel noch zusätzlich strapaziert, als er mit einer Pumpe im Brunnen tagelang seine Gärten und ausgewachsenen Bäume bewässerte.

Damit uns in naher Zukunft vom Land Thüringen als kleine noch eigenständige Gemeinde nicht der Geldhahn zugedreht wird, sind weitere durch den Gesetzgeber vorgegebene und unumgängliche Veränderungen angelaufen. Die Bildung einer Einheitsgemeinde mit den Gemeinden des „Eichsfelder Kessel“ ist wohl die einzige Möglichkeit, in Zukunft gemeinsam unsere Orte mit neuer Struktur zu bewirtschaften und weiter zu entwickeln, ohne von einer größeren Stadt im Umkreis als Quotendorf zwangseingemeindet zu werden. Hierzu soll sogar die Verwaltungsgemeinschaft „Eichsfelder Kessel“ geopfert werden, um die Zukunft gemeinsam neu zu gestalten.

Schade, wo wir doch jetzt einen hier wohnenden und amtierenden VG Vorsitzenden aus einer Nachbar VG hätten selber stellen können. Schließlich hat das ja mit unserer Kirchengemeinde auch schon sehr erfolgreich geklappt.

In weiterer Vorbereitung auf die Vereinigung sitzt der Hammel angestrengt im stillen Kämmerlein und überlegt sich, wie mit doppelt vergebenen Straßennamen in unserer neuen Gemeinschaft umgegangen werden könnte.

Vorschläge zur Namensänderung der Hauptstraße in „an der Fan Meile“ oder die Änderung der Bergstraße in „zum Heinrichskreuz“ wären da vielleicht ein ganz guter erster Ansatz.

Unser heimatliches Harderholz wurde die letzten Monate wieder aufs intensivste von Dagobert schikaniert.

Noch nicht erholt vom letzten großen Sturm schickte er im Winter seine Komplizin Frederike aus, um wieder große Flächen Wald zu zerstören.

Sein verfolgtes Ziel war schließlich, nur kostenneutral an Brennholz zu kommen, das fleißige Forstarbeiter zugeschnitten am Wegrand für ihn bereitlegen sollten.

Eine Zeugin seiner unverschämten Tat machte er unschädlich, indem er ihr Auto beim Wenden an der Grotte rückwärts einfach in den Graben schubste, sodass es mit schwerem Gerät geborgen werden musste.

Einige Zeit später wurde Dagobert von einem sehr verärgerten Einwohner im Harderholz gestellt, nachdem er detaillierte Foto-Aufnahmen seines Grundstückes gemacht hatte.

Unwissend von den Bestimmungen des neuen Datenschutzgesetzes konnten sich die beiden schließlich gütlich darauf einigen, die Bildaufnahmen zu löschen, bevor sie unerlaubt an die Öffentlichkeit gelangen können.

Durch das neu in Kraft getretene Datenschutzgesetz…von dem wir Burschen selbstverständlich keinerlei Ahnung haben, sind wir dennoch bemüht, dass Ähnlichkeiten der angeklagten Punkte UNBEDINGT auf realen Tatsachen bestehen und Verbindungen zu angesprochenen Personen kein Zufall sind, aber beabsichtigt verschleiert wurden

Diese neu zum Gesetz gewordene Tradition pflegen die Hausener Kirmesburschen schon seit 1951 und sind damit der Zeit des neuen Datenschutzes um 67 Jahre voraus!

Guten Morgen werte Politiker!!

In diesem Sinne und im Namen aller Hammelbrüder wünschen wir noch friedliche und

unbeschwerte Stunden bei unserem Umzug und bei der After-Umzugsparty in unserem Saal.

Bleibt gesund und munter!

Bis zur nächsten Kirmes grüßen:

 

Die Kirmesburschen

 

Geschrieben 2018

von David Schäfer